: 107 Meter Museumsmeile
■ Die Böttcherstraße, neuerdings städtisch: Stiftung gestiftet, Sammlungen gesammelt, Kosten verteilt
Für die Böttcherstraße in Bremen und ihre Kunstsammlungen wird in der Hansestadt eine Stiftung vorbereitet. Sie soll diese Schätze als bremisches Kulturgut sichern und erweitern. Bei Fachleuten und Laien gilt die 107 Meter lange ehemalige Handwerkergasse mit ihren 20 Gebäuden unter Denkmalschutz als geglückte und überaus eindrucksvolle Verbindung von überkommener mittelalterlicher Bausubstanz und expressionistischer Backsteinbaukunst.
Drei Komplexe stehen im Mittelpunkt künftiger Stiftungspläne. Die in der Böttcherstraße bereits vorhandenen Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafiken von Paula Becker-Modersohn sollen um Werke dieser Künstlerin, die jetzt noch in der Bremer Kunsthalle und in der Paula-Modersohn-Becker-Stiftung sind, erweitert und in einem der geplanten Stiftung angegliederten Paula-Modersohn-Becker-Museum zusammengefaßt werden.
Außerdem werden Plastiken und Gebäude des expressionistischen Bildhauers und Architekten Bernhard Hoetger eingegliedert. Sowohl die Paula-als auch die Hoetger-Sammlungen werden mit jeweils mehreren hundert Exponaten die umfassendsten Sammlungen von Arbeiten dieser Künstler in der Welt sein. Darüber hinaus werden die aus dem 12. bis 18. Jahrhundert stammenden Schätze im Roselius-Haus — unter anderem mit Werken von Conrad von Soest, Joos van Cleve, Lukas Cranach des Älteren und Tilman Riemenschneider — einbezogen.
Zu den Gründern der Stiftung werden unter anderen die Stadt Bremen, der Bund und die Bremer Sparkasse gehören. Die jährlichen Unterhaltungskosten übernehmen vor allem die Stadt, zum Teil aber auch die Sparkasse. Dazu finanziert die Sparkasse den Aufbau einer Ausstellungshalle im Obergeschoß des Paula-Becker-Modersohn-Hauses mit etwa eineinhalb Millionen Mark extra. Die Stiftung soll im Frühsommer gegründet werden. Sie wird von einem Kuratorium verwaltet.
Ludwig Roselius, der mit der Entwicklung des HAG-Kaffees viel Geld verdiente, kaufte die Böttcherstraße in den zwanziger Jahren Stück für Stück und legte im ersten von ihm erworbenen Haus, das nach ihm benannt wurde, Kunstsammlungen auf hohem Niveau an. In seinem Auftrag baute Hoetger das Paula- Becker-Modersohn-Haus und das Haus Atlantis. Sie gehören zu den bedeutendsten expressionistischen Bauwerken in Deutschland. Die 1944 bei einem Bombenangriff zerstörte Böttcherstraße ließ Roselius zehn Jahre später nach alten Plänen, Skizzen, Modellen und Fotos maßstabgetreu wieder aufbauen.
Sein Sohn verkaufte im Herbst 1979 die HAG-AG und die Straße an den amerikanischen Lebensmittelkonzern General Food. Der Unmut, den er damit in Bremen auslöste, veranlaßte ihn zwei Jahre später, die Böttcherstraße für rund neun Millionen Mark zurückzukaufen. Sieben Jahre danach, im November 1988, verkaufte er die bei ihm verbliebenen Sammlungen für 15 Millionen Mark an die Stadt Bremen. Mit einer Beteiligung von fünf Millionen Mark erwarb der Bund ein Drittel Miteigentum. Die Bremer Sparkasse übernahm für rund 5,5 Millionen Mark die Gebäude und die Erbbaurechte in der Böttcherstraße.
Mit der Übernahme dieses „Gesamtkunstwerks von nationaler Bedeutung“ durch die Stadt sowie der Grundstücke und Gebäude durch die Sparkasse soll „jede weitere denkbare Abwanderungsmöglichkeit ein für allemal verhindert“ werden. Die geplante Stiftung soll künftig auch dafür sorgen, die Ausstrahlung dieses einzigartigen Häuserensembles inmitten der Bremer Altstadt zu intensivieren und zu pflegen.
Dietrich Wieland (dpa)
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