piwik no script img

Das BKA war gewarnt

■ Staatsschutz wies BKA auf erhöhte Gefährdung Rohwedders hin/ Die Täter hatten bei Brandanschlag auf Treuhand-Niederlassung ein leichtes Spiel

Berlin. Der Innensenatssprecher Woelki hat gestern heftig krisiert, daß für den gestern einem Attentat zum Opfer gefallenen Leiter der Treuhandanstalt, Detlev Karsten Rohwedder, in dessen Heimat Nordrhein-Westfalen nur Sicherheitsstufe zwei angeordnet war. Woelki verwies darauf, daß die Berliner Behörden für Rohwedder, der sich unter der Woche in der Regel in der Berliner Hauptgeschäftstelle am Alexanderplatz aufhielt, als »absolut gefährdete Person« Polizeischutz der Sicherheitsstufe eins galt. Nach dem Brandanschlag auf die Berliner Treuhandniederlassung in der Schneeglöckchenstraße sei das Bundeskriminalamt vom Staatsschutz am vergangenen Samstag noch einmal eigens darauf hingewiesen worden, daß nicht nur die Einrichtungen der Treuhandanstalt sondern auch Rohwedder »persönlich gefährdet« sei. Der Grund war das Schreiben der Gruppe »Thomas Münzers wilder Haufen« die sich zu dem Brandanschlag bekannt hatte. Dort heißt es im dritten Satz: Rohwedder, »der eigentliche Herrscher des Ostens«, habe die DDR-Betriebe im »Auftrag der Herrn aus Bonn kaputtsanieren lassen«.

Darüberhinaus wurde gestern bekannt, daß die Täter, die am vergangenen Karfreitag auf die Berliner Niederlassung der Treuhandanstalt den Brandanschlag verübten, leichtes Spiel hatten: Das Gebäude in der Schneeglöckchenstraße im Bezirk Prenzlauer Berg war von der Polizei nicht überwacht worden. Innensenatssprecher Woelki begründete diese Nachlässigkeit gestern damit, die Polizei sei von der Treuhandanstalt nicht darüber informiert worden, daß in in der Schneeglöckchenstraße die Niederlassung der Treuhandanstalt untergebracht ist. Nach Angaben des Leiters der Berliner Treuhandniederlassung, Helmuth Coquui, wurde in dem Gebäude gestern wieder »fast« normal gearbeitet, nachdem die Folgen des Brandanschlags — mit Ausnahme von zwei Räumen, die ausbrannten — beseitigt worden sind. Coquui bestätigte, daß seit dem Anschlag Akten verschwunden sind, hatte jedoch noch keinen detallierten Überblick, um was für Schriftstücke es sich dabei genau handelt.

Abgesehen von dem Bekennerschreiben der Gruppe »Thomas Münzers wilder Haufen« hat der Staatsschutz keine neuen Erkenntnisse über die mutmaßlichen Täter. Daß es zwischen der Gruppe »Thomas Münzers wilder Haufen« und einer 1988 in Erscheinung getretenen Gruppe mit der Kurzform »Thomas Münzer« Verbindungen gibt, wurde von der Polizeipressestelle »für wahrscheinlich« gehalten. Nach Angaben von Polizeisprecher Schultz hat sich die Gruppe »Thomas Münzer« 1988 im Vorfeld der Tagung des Internationalen Währungsfond (IWF) in Berlin zu »vier Anschlägen« bekannt.

Für nahezu ausgeschlossen hält der Staatsschutz Schultz zufolge jedoch, daß es zwischen den Brandanschlag in der Schneeglöckchenstraße und dem Attentat auf Rohwedder, einen Zusammenhang gibt. Selbst wenn die Gruppe »Thomas Münzers wilder Haufen« für den Brandanschlag verantwortlich sei, handele es sich hier um eine sogenannte revolutionäre Zelle. Das Attentat auf Rohwedder hingegen trage die Handschrift »der RAF-Kommandoebene, von der bekannt ist, daß sie sich nach außen hin abschottet«, sagte Schultz.

Das Attentat auf Rohwedder wurde gestern von allen Parteien des Abgeordentenhauses verurteilt. plu

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen