: Der rasende Orkan auf Rädern
■ Der Finne Juha Kankkunen gewann die Safari-Rallye in Kenia gegen Wind, Wetter und Bewohner
Berlin (taz) — Alle Jahre wieder zur Osterzeit, pflügt das sportliche Ereignis Ostafrikas die Steppe Kenias durch: Die Safari-Rallye prescht durchs Land. Schon Wochen vor dem Start am Gründonnerstag ist Vorsicht geboten, wenn Rallyeteilnehmer Feldwegen und abgelegenen Schotterstraßen die Ehre einer Teststrecke geben. Denn die Rallye wurde zum „Karneval des Motorsports“, weil sie 4.181 Kilometer und fünf Tage über nicht abgesperrte öffentliche Straßen führt. Das Motto lautet: je härter, desto besser, vor allem bei Regen. Nirgendwo in der Ersten Welt können sich Rallyisten derart rücksichtslos austoben.
Wenn die Wagen im Schlamm versinken, in Staubwolken verschwinden, über Felsen und Gräben hüpfen — dann feiern diverse Mythen fröhliche Auferstehung: Der Mann allein meistert Natur, Wetter und alle unübersichtlichen Kurven. An seiner Seite nur die Maschine und der Beifahrer, dem er hundertprozentig (99 Prozent reichen nicht) vertrauen muß. Den Abenteurer im Zeitalter der motorisierten Raserei schrecken nicht Büffelherden noch Löwen, nicht Steigungen noch Abhänge. Er kämpft sich „durch den Himmel auf Erden, die Hölle auf Rädern“ — wie Kenia in der Hochglanzbroschüre des veranstaltenden Rallyeunternehmens heißt.
Aber anders als bei der ersten Rallye vor 38 Jahren hat die ungebremste Abenteuerlust längst einen festen Bund mit dem Profit geschlossen. Die Sponsoren zeigen, woher der Wind weht und wohin die Fahrt geht. Das Rennen hat sich in den letzten Jahren immer mehr zu einem Duell zwischen Fernost und West entwickelt. Eine Meute von Toyotas, Subarus und Nissans hetzt Lancia, das mehrmals siegreiche italienische Team, das auch in diesem Jahr wieder die Kühlerhaube vorne hatte.
Die Raserei 1991 endete mit dem Sieg des Finnen Juha Kankkunen auf Lancia Delta Integrale. Im Zielort Nairobi hatten Kankkunen und sein Beifahrer Juha Piironen 26:24 Minuten Vorsprung vor Mikael Ericsson und Klars Billstam aus Schweden mit ihrem Toyota. „Als ich die Safari 1985 zum ersten Mal gewann, hätte ich nie geglaubt, daß ich auf meinen zweiten Sieg hier so lange warten muß“, sagte der 32jährige Kankkunen, der damals der jüngste Gewinner eines Weltmeisterschaftslaufs im Rallyesport war. „Aber die Safari ist eben eine sehr spezielle Rallye, bei der sehr viel passieren kann und bei der man den Sieg wirklich erst dann sicher hat, wenn man in Nairobi auf der Zielrampe steht.“
Der favorisierte Weltmeister Carlos Sainz aus Spanien lag lange Zeit in Führung, bevor er mit einem Motorschaden aufgeben mußte. „Natürlich ist es ärgerlich, so kurz vor dem Ziel rauszufliegen“, gestand Sainz, „aber ich stand jetzt in zehn WM- Läufen hintereinander auf dem Treppchen. So eine Serie geht irgendwann zu Ende.“ Nun freut sich der kühle Spanier auf die heiße Tour im nächsten Jahr.
Aber ein Damoklesschwert schwebt über der Safari-Rallye. Die zuständige Automobilsportföderation FISA (kein Kenianer sitzt in ihr) erwägt, Kenia aus dem Weltmeisterschaftsprogramm zu streichen. Denn das große Geld bringt die ostafrikanische Schlammschlacht nun auch wieder nicht, weil keine Fernsehrechte verkauft werden. Für das Land Kenia wäre der Verlust der Tour ein schwerer Schlag, bietet ihm doch die Rallye alljährlich Gelegenheit, seine landschaftliche Schönheit, Organisationstalent und politische Stabilität vorzuzeigen — als kostenlose Tourismuswerbung sozusagen.
Das Rallyeunternehmen und die Medien des Landes tun ihr Bestes, Nationalstolz und Geschwindigkeitsrausch der Bevölkerung zu schüren, zumal neuerdings auch einige Schwarze unter den siebzig Fahrern sind. Doch manchen Leuten fehlt offenbar die rechte Begeisterung dafür, daß ein Orkan auf Rädern durch ihre Felder und Siedlungen donnert, ihre Hühner, Ziegen und — wie des öfteren geschehen — ihre Kinder ummäht.
In den Vorjahren flogen ab und an Steine oder Baumstämme lagen auf der Straße, für deren Beseitigung sich die Anwohner von den Fahrern bezahlen ließen. Dieses Geld konnten die PS-Abenteurer in diesem Jahr sparen. Christa Wichterich
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