: Politik und Wirtschaft verurteilen den „feigen Mord“
■ In ersten Stellungnahmen würdigten Vertreter aller Parteien sowie die Spitzen von Wirtschaft und Gewerkschaften Detlev Rohwedders Engagement
Der Mord an Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder hat in Bonn bei Regierung und Parteien Erschütterung ausgelöst. Bundespräsident von Weizsäcker sprach von einem „unmenschlichen und verblendeten Anschlag“. Bundeskanzler Kohl, der in seinem österreichischen Urlaubsort noch in der Nacht unterrichtet wurde, zeigte sich entsetzt. Deutschland verliere mit Rohwedder einen der großen Repräsentanten seiner Wirtschaft und eine herausragende Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) unterbrach seinen Kurzurlaub. Er würdigte Rohwedder als einen Mann, der sich mit dem Respekt aller Parteien seiner Aufgabe gewidmet habe.
Weizsäcker betonte ebenso wie Kohl und Innenminister Wolfgang Schäuble die Verpflichtung und Entschlossenheit in Ost und West, Rohwedders Arbeit fortzusetzen. Schäuble, der mit Staatssekretär Hans Neusel den Tatort besuchte, erklärte in Bonn, mit dem heimtückischen Mord wollten die Täter die Demokratie in ganz Deutschland und vor allem den eingeschlagenen Weg der Erneuerung in den neuen Ländern treffen. „Dies wird ihnen nicht gelingen.“
Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) betonte, die Gefährdungen des demokratischen Staates und seiner Repräsentanten durch terroristische Aktivitäten seien durch diesen Mord auf schreckliche Weise unterstrichen worden. Der Bundestag werde alles daran setzen, daß Terroristen mit ihren erneuten Versuchen keinen Erfolg hätten, die deutsche Gesellschaft durch Bomben und Morden zu spalten. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende und frühere DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière erklärte, für ihn sei Rohwedder einer der wichtigsten Gesprächspartner auf dem Weg zur deutschen Einheit gewesen. Mit ihm verliere die Treuhand ihren politischen und strategischen Kopf.
Der brandenburgische Regierungschef Manfred Stolpe (SPD) verurteilte die „unmenschliche Tat fanatischer Verbrecher“. SPD-Chef Hans-Jochen Vogel geißelte den „feigen Mord“. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Roth würdigte den Ermordeten als treuen und kritischen Wegbegleiter der Sozialdemokratie.
„Mißbrauch der Situation durch Politverbrecher“
Bundesjustizminister Klaus Kinkel (FDP) betonte, ohne Rohwedders Mut, Sachverstand und Engagement werde der Wiederaufbau in den neuen Ländern noch schwieriger. CSU-Landesgruppenchef Wolfgang Bötsch äußerte die Ansicht, gerade ein solcher Anschlag mache deutlich, daß eine Schwächung der staatsschützenden Organe nicht zu akzeptieren sei.
Mit Entsetzen haben die Abgeordneten vom Bündnis 90/Grüne auf das Attentat reagiert. Ihr Sprecher erklärte, die Bundesrepublik verliere mit Detlev Karsten Rohwedder einen Menschen, der alle seine Kräfte aufgeboten habe, um den neuen Bundesländern zur Seite zu stehen. Die schwierige Lage im östlichen Teil Deutschlands könne von Politverbrechern mißbraucht werden. Deshalb müsse nun alles getan werden, um die bevorstehende Entlassungswelle in den fünf neuen Bundesländern soweit wie möglich zu vermeiden.
Der PDS-Vorsitzende Gregor Gysi hat der bei dem Attentat verletzten Frau Rohwedders seine „aufrichtige Anteilnahme“ ausgesprochen. Er verurteile den Mord auf das schärfste, heißt es in einem Schreiben vom Dienstag. „Kein politisches, ökonomisches und soziales Problem“ könne mit Gewalt gelöst werden. Auch „wenn es in der Sache unterschiedliche Ansichten gibt“, sei Gewalt und Terror „durch nichts zu rechtfertigen“.
Auch der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Heinz- Werner Meyer, und IG-Metall-Chef Franz Steinkühler verurteilten den Mord nachdrücklich. Meyer unterstrich, dieses Attentat belaste den deutschen Einigungsprozeß schwer. Ohne Rohwedders Sachverstand und Engagement werde die ohnehin kaum lösbare Aufgabe der Treuhand noch schwerer. DAG-Chef Roland Issen sprach von einem „schweren Rückschlag“ für die Arbeit der Treuhand. Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft würdigten die Kompetenz und das Pflichtgefühl, mit denen sich der Treuhand-Chef für die Neuordnung und den Wiederaufbau in den neuen Ländern eingesetzt habe.
Deutschland hat mit Rohwedder nach den Worten von CDU-Generalsekretär Volker Rühe einen führenden Architekten des wirtschaftlichen und sozialen Aufbaus in den neuen Ländern verloren. Für Rühe ist mit Rohwedder einer der wichtigsten und notwendigsten Wirtschaftsführer Opfer des Hasses von verblendeten Gewalttätern geworden. FDP- Generalsekretärin Cornelia Schmalz-Jacobsen betonte, Rohwedders Tod dürfe die Zielrichtung, den Aufbau in den neuen Bundesländern rasch voranzutreiben, nicht verändern.
Treuhand setzt ihre Arbeit im Sinne Rohwedders fort
Die Berliner Treuhandanstalt will ihre Arbeit im Sinne ihres Präsidenten fortsetzen. Das Vorstandsmitglied der Anstalt und Stellvertreterin des Präsidenten, Birgit Breuel, sagte am Dienstag vor Journalisten in Berlin, daß die Leitung der Treuhand sich weiter den Leitlinien Rohwedders verpflichtet fühle, die er in einem Schreiben an die Mitarbeiter kurz vor Ostern untermauert hatte. Danach sollten die Betriebe in den neuen Bundesländern so schnell wie möglich privatisiert werden.
Frau Breuel betonte, daß der Vorstand und die Mitarbeiter der Treuhand von der Nachricht vom Tod Rohwedders „tief erschüttert“ seien. Alle Beschäftigten stünden „unter einem Schock“. „Unsere Gedanken sollten jetzt auch der Frau und den Kindern Rohwedders gelten.“ Rohwedder habe sich „mit Leidenschaft und Herz“ dafür eingesetzt, das beste für die vom wirtschaftlichen Umbruch in der ehemaligen DDR betroffenen Menschen zu erreichen. dpa/afp
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