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„Wir brauchen keine neue Konzeption“

■ Bundesfinanzminister Theo Waigel sieht nach dem Mord an Treuhand-Chef Rohwedder keine Notwendigkeit zu einem „Neuanfang“/ Die Nachfolge soll in der kommenden Woche geklärt werden

Berlin (taz) — Einer wird es jedenfalls nicht: Jens Odewald, Kaufhof- Chef und Vorsitzender des Treuhand-Verwaltungsrates, gab am Mittwoch in Berlin bekannt, daß er seine Aufsichtsfunktion nicht gegen eine Leitungsfunktion bei der Anstalt einwechseln werde. „Ich stehe in keiner Weise zur Verfügung“, sagte Odewald.

Bundesfinanzminister Theo Waigel, unter dessen Zuständigkeit die Treuhand derzeit steht, kündigte zwei Tage nach der Ermordung des bisherigen Treuhand-Chefs Detlev Rohwedder an, daß in der kommenden Woche über die Neubesetzung der Stelle entschieden werde. Der zuständige Verwaltungsrat wird sich am 10. April damit befassen.

Nach der schon länger geplanten Teilnahme an einer Treuhand-Vorstandssitzung verweigerte Waigel jede Stellungnahme zu Vermutungen, daß Vorstandsmitglied Birgit Breuel die Nachfolgerin Rohwedders werden könnte. Die Abwesenheit Breuels auf der Pressekonferenz sei durch ihre Teilnahme an der Vorstandssitzung zu erklären. „Schon aus Gründen der Pietät“ sollten jetzt noch keine Namen genannt werden. Waigel mochte sich auch weder dazu äußern, ob es eine Haus- oder Auswärtslösung geben solle, noch, ob von seinem Haus eher eine Person mit Politik- oder Wirtschaftserfahrung an der Spitze des weltgrößten Konzerns gewünscht werde. Zudem verfüge das Ministerium im 23köpfigen Verwaltungsrat nur über eine Stimme. Vier Eigenschaften verlange er aber: Organisationstalent, konzeptionelles Denken, Durchsetzungskraft und Furchtlosigkeit.

Die Notwendigkeit eines „Neuanfangs“ bei der Treuhand sieht Waigel nicht: „Wir brauchen keine neue Konzeption.“ Die Arbeit werde nach den bisherigen Vereinbarungen fortgesetzt, vor allem nach dem 8-Punkte-Katalog, der im März zwischen Bund, den betroffenen Landesregierungen und der Treuhand beschlossen wurde und eine stärkere Zusammenarbeit mit den neuen Ländern vorsieht. Waigel hofft, daß die dortigen Wirtschaftskabinette bald arbeitsfähig werden. Auch an seiner Zuständigkeit solle sich nichts ändern: „Die Damen und Herren der Treuhandanstalt fühlen sich beim Bundesfinanzminister gut aufgehoben“, hätten sie ihm versichert.

Von Odewald erhielt Waigel die kiloschwere Vorabliste der Betriebe, die der Treuhand derzeit gehören. Sie wird ebenfalls in der kommenden Woche detailliert vorgestellt. Das Privatisierungstempo, so Odewald, sei nun entschieden gesteigert worden. Waren im zweiten Halbjahr '90 erst 228 Firmen verkauft worden, stieg ihre Zahl im Januar auf 245 und im Februar auf 321. Noch ist die Treuhandanstalt aber für vier Millionen Beschäftigte zuständig, so viele, wie die 25 größten börsennotierten US-Konzerne gemeinsam haben. diba

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