: »Dante-Connection«-Ost
■ Vorträge und eine Ausstellung zur »Göttlichen Komödie«
1865 wurde in Dresden unter dem Protektorat König Johanns von Sachsen eine Deutsche Dante Gesellschaft gegründet, die es sich zur Aufgabe machte, »das geistige Erbe des Dichters und Denkers Dante Alighieri im deutschen Sprachgebiet lebendig und wirksam« zu halten. 1945 gab es dann zwei Dante-Gesellschaften, eine im Osten und eine im Westen. Die westdeutsche erhielt schnell den Status eines eingetragenen Vereins und finanzielle Unterstützung, während in der DDR der staatliche Kulturbund die Vereinigung nicht anerkannte.
Trotzdem trafen sich seit Beginn der sechziger Jahre ungefähr dreißig bis vierzig Dante-Liebhaber und -forscher in einem Dante- Freundeskreis unter der Leitung des Zwickauer Pfarrers Otto Riedel zu Vorträgen und zur gemeinsamen Lektüre. Diese jährlichen Veranstaltungen konnten nur unter dem Deckmantel kirchlicher Organisationen stattfinden, die in verschiedenen Städten wie Berlin, Dresden, Dessau und Magdeburg Übernachtungsmöglichkeiten und Räume zur Verfügung stellten. Warum gerade die Beschäftigung mit Dante in der DDR nicht unterstützt wurde, ist auch den Mitgliedern des Freundeskreises bis heute nicht aus politisch-ideologischen Gründen erklärbar; zumal in der offiziellen DDR-Rezeption Dante nicht mehr dem »finsteren« Mittelalter, sondern der »aufgeklärten« Renaissance zugerechnet wurde.
Auf dem letzten Treffen des Freundeskreises 1990 sollten die beiden Gesellschaften wiedervereinigt werden, d.h. die (West)Deutsche-Dante-Gesellschaft mit Hauptsitz in München verteilte die Beitrittsformulare ihrer Gesellschaft. Die ehemaligen DDR-Dante-Fans haben aber beschlossen, nicht ganz in der Großorganisation aufzugehen, sondern weiterhin eigene Veranstaltungen zu organisieren, die ihrer gewachsenen Struktur und auch den Ansprüchen von Mitgliedern entsprechen, die keine Fachforscher sind.
Die ersten Veranstaltungen gibt es am Samstag und Sonntag. Jeweils ab zehn Uhr halten Berliner Romanisten im »Missionshaus« Vorträge zu Themen wie »Peter Weiss und Dante«, »Humanismus bei Dante«, »Florenz um 1300« und »Dante in der Malerei der deutschen Romantik«. Zusätzlich hat der Freudenskreis gemeinsam mit der Galerie Sophienstraße 8 in Lichtenberg eine Ausstellung des italienischen Malers und Bildhauers Fulvio Pinna organisiert.
Der seit drei Jahren in Berlin lebende Sarde Pinna beschäftigt sich seit dieser Zeit kontinuierlich mit den Gesängen der »Divina Commedia« und präsentiert jetzt in einem Aquarellzyklus seine Auseinandersetzung mit dem ersten Teil des Werks, dem »Inferno«. In der aus drei Teilen: Inferno, Purgatorio und Paradiso bestehenden »Komödie« führt der römische Dichter Vergil die »sündige Seele« Dantes durch neun Höllenkreise auf den Berg der Läuterung (Purgatorio). Im Paradies übernimmt dann die verklärte Jugendliebe Dantes, Beatrice, die Führung, bis er zum Schluß vor dem Angesicht Gottes steht.
Pinna interessierten die Begegnungen Dantes auf seiner Wanderung mit Odysseus, Elektra, Aristoteles, Judas, Brutus, Luzifer und vielen anderen im Hinblick auf die ausgeübte Gewalt, auf die »Hölle« hin. Grundlage der kleinformatigen Aquarelle sind immer einige Textzeilen, und dazu zu sehen gibt es: Geizige, Zornige, Verschwender, Wollüstige, Ketzer, die drei Furien, Träge, Diebe, Fälscher, Verführer und die antiken Fabelwesen wie der Höllenhund Cerberus, Zentauren und Harpyrien, Wesen mit Frauenköpfen und Vogelleibern. Die »Göttliche Komödie« bietet Pinna eine Möglichkeit, eigene Obsessionen und Phantasien in Bilder umzusetzen.
Auch in aktuellen politischen Ereignissen findet Pinna Bezüge zu seiner Dante -Lektüre: Auf der »East Side Gallery« war im März 1990 auf einem bemalten Mauerstück an der Mühlenstraße auf rotgelbem Grund die inzwischen von der Geschichte überholte Äußerung zu lesen »...questo Popolo ha scelto la luce — dopo anni di inferno dantesco« (dieses Volk hat sich für's Licht entschieden - nach Jahren des dantesken Infernos). Bettina Schültke
Um 15.30 Gespräch mit dem Künstler; S. Skowron trägt seinen Essay »Kunst als (Tat)sache« vor. Ausstellungsdauer bis 25.4.; Sophienstraße 8, Lichtenberg
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