Kunstlicht: Ätzszene tanzt den Schachterltanz

■ "Pictor": Eine Zeitung für die Druckgrafik/Eine Performance mit Pappe im KITO

Wo die Kunstnase eine Witterung aufnimmt, schnuppert sie die Lösungsmittel der Druckgrafikfarben. Die Zeiten, da das Schwarz-weiß- Holzschnitterne völlig out war, scheinen vorbei. Zumindest in Bremen, wo sich eine vitale Schneide-, Ätz- und Druckszene entwickelt hat. Lehrer fast ausnahmslos aller: Wolfgang Schmitz von der Kunsthochschule. Vermutliche Aufwindgründe: ein immer noch steigendes Interesse am schönen Schein von Typografie und Layout; eine neu erwachende Lust auf die Klarheit und Wahrheit von Schwarzweiß. (Wird doch von Schmitz kolportiert, er halte Druckgrafik für realistischer als das Leben.) Die Szene hat jetzt ein Organ: Pictor heißt das Heft von einem Format größer als DIN A3, das Papier ist haptisch aufregend, „voluminös“ und saugfähig und heißt Sympathicus. Als Deckblatt hat man eine japanische Tageszeitung typografisch mißbraucht, und innen wechseln sich sorgsam gesetzte Texte und Siebdrucke ab. Geburtsort von Pictor ist die Ateliergemeinschaft Große Annenstraße, Redakteure sind Udo Reichwald und Jan Carstensen, die auch beide im Heft mit Arbeiten vertreten sind sind. Reichwald ist mit seiner bereits bekannten „Scanner“-Manipulation dabei: Videobilder werden computerbehandelt und auf Siebdruckfolie übertragen. Bogdan Hoffmann trägt ein Stückchen Bremen bei, Dirk Mühlenstedt eine reduzierte typografische Arbeit, Wolfgang Schmitz selbst eine Stadtansicht. Mit zwölf weiteren DruckgrafikerInnen werden sie textlich u.a. von Jörg Kirschenmann (Urbanistikprofessor) zu Golfkrieg und Archäologie und sich aufbäumenden Textkörpern von Germar Grimsen begleitet.

Die Zeitung ist keine klassische Grafikmappe; das soll in der nächsten Ausgabe noch deutlicher werden (Juni), wo Texte und Bilder stärker aufeinander eingehen werden. Mit ihr soll, so Udo Reichwald, ein Raum jenseits konventioneller Wandbepflasterung mit Kunst besetzt werden. Der Pictor, dessen Originalgrafik- Vorlagen alle direkt auf Folie gearbeitet worden sind, wurde in einer Auflage von 100 gedruckt. (Preis 60 DM)

Nachdem der Kunstverein Nord sich vom KITO abgesetzt hat, macht diese nordbremer Kulturstätte Wind um eigene entsprechende Aktivitäten. Z.B. heute abend um 18 Uhr: Da inszenieren Li Portenlänger und Angelika Wolf eine Performance mit Pappe. Verharmlosender Titel: „Schachterltanz“. Beide sind von Haus aus Malerinnen, Frau Portenlänger hat sich zu einer überaus ernsten Performance-Tänzerin mit Wigman- und Tai-chi-Elementen entwickelt (letzter Auftritt bei der „Interferenzen“-Ausstellung in der Bremer Kunsthalle). Frau Wolf baut farbige Skulpturen aus Pappe und lebt im übrigen in Hannover. Die Dauerperformance (drei Wochen) mit der Weiterentwicklung von Mensch-pappe-Raum mündet in einer Finissage am 28.4. um 17 Uhr. (Alte Hafenstr.30)

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