: Das Schwert der Experten
■ Ein Dialog mit Hindernissen
Ein Dialog mit Hindernissen
Im Zusammenhang mit dem Golfkrieg wurde während der letzten Wochen wie nie zuvor die Frage nach Möglichkeiten des Dialogs zwischen der islamischen Welt und Europa gestellt. Die Antwort erwarten wir nicht zuletzt von den „Nahost-Experten“ unter den Journalisten.
Schon vor Beginn des Krieges hat Peter Scholl-Latour mit seiner Sendereihe „Das Schwert des Islam“ einer aufgeklärten westlichen Welt eine unbelehrbare Masse von Fanatikern in der islamischen Welt gegenübergestellt. Seine Dokumentation, in der es von „alttestamentlichen Figuren“, „abrahamitischen Schicksalskämpfen“ und „Katastrophen biblischen Ausmaßes“ nur so wimmelt, führt den Zuschauer zu der fatalistischen Annahme, es handele sich um zwei miteinander unvereinbare Welten, die auf eine gewalttätige, apokalyptische Auseinandersetzung zwangsläufig hinsteuerten. Schlagworte wie „Schwert des Islam“, „Der neue Tatarensturm“, „obskure Sekte“, „neue Völkerwanderung“ sprechen unsere Ängste und Emotionen an, ohne sachlich zu informieren. Der Dialog mit der islamischen Welt wird als unmöglich, die Offenheit für einen solchen als unnötig dargestellt. Im Gegenteil, Europa soll sich wappnen, sich gegen die islamische Gefahr abschotten.
Während diese sublime Botschaft des Filmes größtenteils kritiklos hingenommen wurde, gab es in der Fachwelt auch andere Reaktionen: Am 16.Februar erschien in der 'Süddeutschen Zeitung‘ ein Artikel des Tübinger Islamkunde-Professors Heinz Halm, der auf die gefährliche Wirkung einer Berichterstattung, die sich auf suggestive emotionale Mittel bis hin zur Fehlinformation stützt, aufmerksam macht. An der Spitze der Journalisten, die diese Tendenz aufweisen, nennt er Peter Scholl-Latour und Gerhard Konzelmann. Ihrer Berichterstattung setzt er eine eigene Analyse der Situation in den islamischen Ländern entgegen. Er macht deutlich, daß der von Peter Scholl-Latour als Haupttriebkraft der ganzen islamischen Geschichte beschworene Fundamentalismus in Wirklichkeit eine moderne, auch durch europäische Einflüsse entstandene Bewegung sei, die nach wie vor in der islamischen Welt eine Minderheit darstelle. Sie sei Ausdruck einer tiefen sozialen wie kulturellen Krise und bedrohe allenfalls den Orient selbst, nicht aber Europa.
Die beiden oben Genannten fühlten sich offenbar in ihrer prominenten Stellung im deutschen Journalismus gefährdet und fanden sich zusammen mit dem unbequemen Kritiker zu einer Diskussion bei Dagobert Lindlau in seiner bekannten Sendung „Veranda“ bei der ARD ein. Wer die Sendung am 13.März mitverfolgt hat, wird sich noch lebhaft an eine hitzige, von persönlicher Polemik beherrschte Debatte erinnern, die für das eigentliche Thema nur wenige Minuten Raum ließ. Er wird auch unschwer erkannt haben, wer auf welcher Seite Position bezogen hatte. Dagobert Lindlau, dessen Gesprächsführung seinem Auftrag als neutralem Moderator Hohn sprach, erweckte den Eindruck, als habe er sich mit seinen journalistischen Kollegen abgesprochen, den „Herrn Professor“ gar nicht erst zu Wort kommen zu lassen. Ein fruchtbares Gespräch konnte schon deswegen nicht zustande kommen, weil die Journalisten einem Islamwissenschaftler, der sein Wissen angeblich ausschließlich aus Bibliotheken beziehe, nicht zuzuhören bereit waren. Die Kompetenz des Journalisten sei dagegen allein schon durch die hautnahe Berührung mit dem Orient garantiert. Man muß sich jedoch fragen, ob ein gewisser Druck, Sensationelles berichten zu müssen, nicht den Blick auf das Ganze verstellen könnte.
So wurde im Laufe des Gesprächs jeder Versuch unterdrückt, der Vielfalt des islamischen Kulturkreises gerecht zu werden und damit für die zweifellos vorhandenen Konflikte friedliche politische Lösungen zu finden. Ein solches Herangehen an die Probleme kann nicht zu deren Lösung beitragen, sondern vertieft sie noch mehr und macht einen vorurteilsfreien Umgang mit Angehörigen dieser uns im Grunde sehr nahestehenden Kultur unmöglich.
Lindlaus Fernsehdiskussion kann daher als gescheitert und ergebnislos zu den Akten gelegt werden — bis auf den einen Punkt: Daß Peter Scholl- Latour von seiner Position nicht abrücken würde, war vorauszusehen, aber daß er sich nicht einmal aus seinem eigenen Buch zitieren lassen wollte, zeigt uns überdeutlich, daß an Halms Kritik doch etwas dran ist... Claudia Ott, Georg Placzek,
Tübingen
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