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„Volk und Wissen“ wechselte Besitzer

Der ehemalige DDR-Schulbuchmonopolist und größter zum Verkauf ausgeschriebene Verlag ist Tochter der Westberliner Cornelsen Verlagsgruppe/ Bewerber mit Blick auf Citylage gingen leer aus  ■ Von Hans Dahne

Berlin. Kam in den vergangenen Wochen die Rede auf die Treuhandanstalt, ließen Belegschaften und Geschäftsführungen in Ostdeutschland zumeist kein gutes Haar an der Berliner Mammutbehörde. Dem Geschäftsführer des Ostberliner Verlages „Volk und Wissen“, Peter Wetzel, ist es „fast peinlich“, nicht in den „Chor der allgemeinen Schelte“ einzustimmen.

Die Treuhand hat nach seinen Worten nicht nur „überraschend schnell“ die Modalitäten für den Verkauf des Verlages abgewickelt, sondern darüber hinaus dem „Wunschkandidaten“ den Zuschlag gegeben.

Seit Gründonnerstag ist der ehemalige DDR-Schulbuchmonopolist und größte von der Treuhand zum Verkauf ausgeschriebene Verlag eine Tochter der Westberliner Cornelsen Verlagsgruppe. Andere Bewerber, die mehr ein Auge auf die Immobilie in der Berliner Innenstadt als auf Bücher und Arbeitnehmer geworfen hatten, gingen leer aus.

Nach dieser „Osterüberraschung“ durch die Treuhand zeigt sich Wetzel sichtlich erleichtert. „Offenkundig haben die Herren in der Treuhandanstalt begriffen, daß bei einem weiteren Hinauszögern der Verhandlungen nicht nur der sichere Konkurs gedroht hätte, sondern auch alle Sanierungs- und Umprofilierungsbemühungen der vergangenen Monate umsonst gewesen wären.“ Volk und Wissen, so Wetzel, habe in „aufopferungsvoller Arbeit der gesamten Belegschaft“ das Schulbuchprogramm nicht nur entideologisiert, sondern auch pluralisiert und überarbeitet.

Erleichterung verspüre auch die Belegschaft, die vor der Entscheidung in den vergangenen Wochen wie gelähmt gewirkt habe, sagt Wetzel. Er hoffe, daß jetzt wieder Ruhe in das Verlagshaus einziehe, zumal Cornelsen seiner Tochter eine ungewöhnliche Vorzugsbehandlung eingeräumt habe: Volk und Wissen behalte die verlegerische Eigenständigkeit sowie die Autonomie in Programm- und Personalentscheidungen.

Auf einer Belegschaftsversammlung bei Volk und Wissen bemerkte auch der Geschäftsführer von Cornelsen, Fritz von Bernuth, daß der Status einer eigenständigen Tochter für den Ostberliner Verlag „nicht das Übliche“ sei. Im Normalfall würden bei Überschneidungen im Verlagsprogramm bei der Tochter gekürzt, die Verwaltung auf altbundesdeutschen Standard getrimmt und der Vertrieb zusammengelegt.

Mit einem Beraterstab, Computertechnik sowie „mit jahrelangen Erfahrungen im Kampf auf einem zersplitterten Schulbuchmarkt und im Umgang mit Kultusministerien“ will Cornelsen der Tochter beim Start unter die Arme greifen. Ansonsten sollen sich nach den Worten von Bernuths die Bücher von Volk und Wissen auf dem Markt bewähren. Eventuelle Schnitte im Programm und beim Personal müsse die Geschäftsführung in Ostberlin selbst vornehmen. Bei aller Kulanz gibt von Bernuth unzweideutig zu verstehen, daß die Tochter „sich nach einer Übergangszeit rechnen muß“.

Der Geschäftsführer des größten Westberliner Buchverlages rechnet damit, daß die „guten Bücher“ von Volk und Wissen auf dem Markt „gute Chancen“ haben. Von Bernuth setzt dabei auch auf die nach seiner Ansicht starke Bereitschaft der Lehrer in den fünf neuen Bundesländern, mit den „entideologisierten und überarbeiteten Büchern“ des ehemaligen DDR-Schulbuchverlages weiterzuarbeiten.

Den eigentlichen Knackpunkt für das weitere Schicksal der Tochter sieht er 1993/94, wenn in den ostdeutschen Bundesländern neue Lehrpläne in Kraft treten, auf die die Schulbücher dann wieder zugeschnitten werden sollen. dpa

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