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Freiheit ist keine Ideologie

■ Linton Kwesi Johnson & die Dennis Bovell Dub Band im Modernen

Gemessen an üblichen Kriterien im Musikbiz müßte mensch den jüngsten Auftritt von LKJ enttäuschend bewerten, denn wie schon 1988 und 1990 bestand der Großteil seines Programms aus altem Material. Lediglich in den letzten 20 Minuten stellte er vier neue Stücke von seiner gerade erschienen CD vor. Aber Linton Kwesi Johnson läßt sich nicht mit den üblichen Kriterien messen. Er ist kein Reggae-Sänger, sondern ein politischer Poet, der die sprachliche Rhythmik seiner Dichtung musikalisch unterlegt und verstärkt. Im Mittelpunkt steht die politische Aussage und diese verweigert sich den normalen Anforderungen der Musikindustrie nach ständig neuer Ware für den Markt. Solange die Aussage Relevanz besitzt, wird sie vorgetragen. Und selbst seine Gedichte aus den 70er Jahren haben — leider - kaum an Aktualität verloren. Im Gegenteil, während Rassismus und Nationalismus sowie die daraus entspringende Gewalt gegen ethnische Minderheiten im Westen nicht abgenommen haben, feiern sie nach dem Sieg der Marktwirtschaft im Osten bestürzende Urständ. Insofern scheint mir die Programmzusammenstellung als bewußtes Beharren auf der Aussagekraft auch „alter“ Gedichte. Wer sich darauf einlassen mochte, und das Publikum im gut besuchten Modernes mochte offensichtlich, konnte am Freitag ein begeisterndes Konzert erleben. LKJ, wie in den Vorjahren mit Jacket, Schlips und Rudeboy- Hut, stellte aktuelle Bezüge zu den bekannten „musikalischen Gedichten“ her. So widmete er „Inglan is a bitch“ allen schwarzen Deutschen, auf die Situation in Ostdeutschland anspielend. „Reggae fi peach“ wollte er als Ablehnung an die „neue Weltordnung“ von US-Präsident Bush verstanden wissen. Die beschriebene Haltung spiegelt sich auch in seinen neueren Gedichten wider. Programmatisch vielleicht „Di anfinished revalueshan“, wo es heißt: „Freiheit ist keine Ideologie, Freiheit ist menschliche Notwendigkeit“.

Begleitet wurde LKJ in gewohnter Güte von den langjährigen Mitstreitern der Dennis Bovell Dub Band. Leader Bovell am Baß und Drummer Paul Blake lieferten schleppende Riddims, die beiden Keyboarder Nick Straker und Henry Holder steuerten gelungene Brass-Imitationen bei und Gitarrist John Kpiaye flocht neben rhytmischen Riffs jazzige oder bluesige Floskeln ein.

Da war doch noch was? Ach ja, 'ne Vorgruppe hatts auch gehabt. Farina

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