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Exklusive Geschäfte

Vor wenigen Tagen wurde ein Abkommen bekannt, das die Fischereirechte an der Atlantiküste Nicaraguas an eine amerikanische Firma abtritt  ■ Aus Managua Ralf Leonhard

Jahrelang hatte die indianische Guerilla Nicaraguas gegen die sandinistische Zentralregierung in Managua gekämpft — und zu ihren wichtigsten Forderungen zählte das autonome Verfügungsrecht über die Naturreichtümer der Region. Als dann vor einem Jahr die konservative Opposition die Wahlen gewann, wurden aus den ehemaligen Guerillakommandanten Gouverneure und Bürgermeister der Autonomen Region Nordatlantik (RAAN). Vor wenigen Tagen erst sickerte durch, wie sie sich die autonome Nutzung der Naturschätze in der Praxis vorstellen:

In einem bisher geheimen Vertrag, der der unabhängigen Umweltbewegung (MAN) zugespielt wurde, hat Gouverneur Lionel Pantin einer dubiosen, in den USA ansässigen Gesellschaft die exklusiven Fischereirechte der Region abgetreten.

Damit wurde Hunderten von Kleinfischern zugleich der private Fischhandel untersagt. Denn „Fische, Shrimps, Langusten und jede andere Art von Meerestieren“, die in der autonomen Region gefangen werden, müssen laut dem Abkommen im Hafen von Puerto Cabezas an die „Caribbean 2000 S.A.“ verkauft werden. Der Konzessionär, vertreten durch einen Mr. Harold J. Payne aus den USA, ist „von Steuern jeder Art, einschließlich Import- und Exportsteuern und —zöllen, Fischereilizenzen und Gebühren“ befreit. Das am 23. Dezember unterzeichnete Abkommen soll am 1. Mai 1991 wirksam werden. Bis dahin muß die Caribbean 2000 S.A. drei Boote finanzieren, die mindestens 70 Arbeitsplätze schaffen sollen, und in Puerto Cabezas einen Laden einrichten, wo zum Selbstkostenpreis importierte Waren verkauft werden sollen.

Die Hintermänner dieser Firma sind noch unbekannt. Nachforschungen im nicaraguanischen Handelsregister brachten kein Ergebnis. Im Parlament, das über eine Veröffentlichung in der prosandinistischen Tageszeitung 'El Nuevo Diario‘ von dem Abkommen unterrichtet wurde, sorgten die Enthüllungen für helle Aufregung. Der Vertrag müsse annulliert werden, forderten die Abgeordneten von der Atlantikküste. Der Vertrag stelle die Ausbeutung der Atlantikküste zu Zeiten des Diktators Somoza noch in den Schatten, sagten sie gegenüber dem Vertreter der Umweltbewegung, Pedro Felix Obregon. Es müsse sich um einen Alleingang von Lionel Pantin und dessen Gruppe handeln. Obregon hält diesen Skandal nur für die Spitze des Eisbergs. Denn in Nicaragua kursieren hartnäckige Gerüchte, daß auch die Ausbeutung der Forstreserven und der Goldminen an der Atlantikküste ausländischen Gesellschaften überschrieben werden soll.

Die Regionalregierung scheint sich von diesen Verträgen eine kurzfristige Verbesserung der Versorgungssituation zu versprechen. Denn seit dem Abgang der Sandinisten, die sich den Vorwurf einer paternalistischen Politik gegenüber der Atlantikküste gefallen lassen mußten, sind die indianischen Gemeinden der völligen Vernachlässigung preisgegeben. Seitdem die Waren aus Kuba ausbleiben, ist die Atlantikküste auf Lieferungen aus Managua angewiesen, die auf der einzigen Überlandstraße mehrere Tage unterwegs sind. Wie verzweifelt die Lage vieler Küstenbewohner inzwischen ist, wissen die Vertreter der evangelischen Hilfsorganisation Cepad — ihre Lebensmittellager in Puerto Cabezas wurden in den letzten Monaten wiederholt von Hungernden gestürmt.

Die extreme Abhängigkeit der potentiell reichen Region lockt jede Menge übler Geschäftemacher an. So bot vor mehreren Monaten eine Benjamin Thomas Corporation, vertreten durch den ehemaligen costaricanischen Botschafter Farid Ayales, die kostenlose Errichtung eines thermischen Kraftwerks für feste Brennstoffe an der Costa an. Der Haken dabei: Der Brennstoff wird gleich mitgeliefert. Nicaragua müßte sich verpflichten, jährlich eine halbe Million Tonnen toxischer Abfälle zu verfeuern. Dieses Ansinnen hat die Zentralregierung bisher ebenso abgewiesen wie ein Angebot, mit giftigen Abfällen aus den USA die in der Regenzeit unpassierbaren Straßen an der Atlantikküste zu pflastern.

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