: Datenschutz: Wer wieder wobei erwischt wurde
■ 13. Jahresbericht des Landesdatenschützers vorgestellt / Neue Fälle und alte Bekannte / Schwerpunkt Bremerhaven
Da hatte das Finanzamt von einem Bremer Geschäftsmann glatt gefordert, durch die Post all seine Ferntelefonats-PartnerInnen auflisten zu lassen, um besser die dienstlichen von den privaten Gesprächen trennen zu können. Dieser versuchte drastische Eingriff in das Fernmeldegeheimnis war ein klarer Fall für den kommissarischen Landesbeauftragten für den Datenschutz, Sven Holst, der gestern der Presse den “13. Jahresbericht“ vorstellte. Der Bericht ist diesmal bewußt dünner geraten als in den Vorjahren, trägt erstmals ein Witzbild auf dem Titel und wurde mit weniger bissigen Nebenbemerkungen versehen, als das bei den Ex-Landes- Datenschützer Büllesbach üblich war. „Weniger Verunsicherung und inzwischen mehr Selbstbewußtsein“ stellt Sven Holst bei den BürgerInnen fest, die sich rat- und hilfesuchend an sein Amt wenden.
Einige Geschichten aus dem 80-Seiten-Bericht: „Hämische Bemerkungen“ von KollegInnen und Vorgesetzten und Beförderungsbremsen im eigenen Amt mußten sich Bedienstete der Stadtverwaltung Bremerhaven machen lassen, nachdem sie sich, erfolglos, bei anderen Behörden um einen attraktiven Job bemüht hatten. Bewebungs-Unterlagen, die sonst besonders vertraulich in Panzerschränken weggeschlossen werden, durchlaufen in Bremerhaven alle Dienstweg-Stufen bis zum Personalamt. „Eine Verletzung der Persönlichkeitesrechte von Bewerbern“, wertete Holst und verlangte Abhilfe.
Wer schon einmal im Kaufhaus geklaut und sich hat erwischen lassen, ist womöglich in der Bremer Polizeikartei und damit automatisch auch in der INPOL-Datei des Bundeskriminalamtes gelandet. Die Bremer Polizei behandelt nämlich „erkennungsdienstlich“, also mit Paßbild und Fingerabdrücken, auch zuweilen „Ladendiebstahl als Ersttat“, rügt der Datenschützer. 106.000 Personen, also jede fünfte BremerIn, befindet sich bereits in den Polizeiakten; zum Vergleich: die Großstadt Hamburg hat 60.000 Gesichter registriert. Nach wie vor sortiert die Polizei auch in einem neu erstellten Formular u. a. nach den Merkmalen „obdachlos“, „homosexuell“ oder „Prostituierte“, obgleich das ja keine Straftatsbestände sind. Der Polizeipräsident erklärte dem Datenschützer ungerührt, „homosexuell“ werde als kriminologisch zu begründendes Unterscheidungsmaerkmal in der Lichtbilderkartei als zulässig und erforderlich angesehen.
Wer im Versandhandel einen Pullover oder einen Kühlschrank bestellt, wird ohne es zu ahnen gründlich durchleuchtet. Mit einem neuen „Aschenputtel“-Verfahren werten Versandhäuser Daten über Kauf- und Zahlungsverhalten aus, ordnen die BestellerInnen „Risikogruppen“ zu und entscheiden so über Kundenkonten oder Nachnahme-Pflichten. Gegen diese manchmal jahrelange Sammlung von Daten zu ganzen Kundenprofilen, von denen die Betroffenen gar nichts ahnen, erhebt der Datenschützer Bedenken. Die KundInnen zumindest zu informieren finden die Versandhäuser 'zu verwirrend', berichtet der Datenschützer. Die Überlegungen der Aussichtsbehörden dazu seien noch nicht abgeschlossen.
Viel zu viele löschungsreife Akten liegen bei Polizei, Kfz- Stellen, Verfassungsschutz und Meldeämtern herum, moniert Holst. Die Kripo muß tausende von Akten erst noch aufarbeiten, um über Löschen oder Sammeln zu entscheiden. Auch 140.000 Akten aus Verkehrsdelikten sind überfällig.
Auf Bremerhaven scheint der Datenschützes diesmal ein besonders wachsames Auge geworfen zu haben. Das Bremerhavener Sozialamt gab als Beihilfen etwa für Elektrogeräte oder Tapeten Wertgutscheine statt Bargeld aus, auf denen Namen, Anschrift und sogar das Aktenzeichen der Sozialhilfe-EmpfängerInnen für die VerkäuferInnen erkennbar vermerkt waren. Das ist diskriminierend und soll geändert werden.
Die Bremerhavener Polizeibehörde scheint im dort ansässigen Landesbeauftregten für den Datenschutz keinen Verbündeten, sondern eher einen Gegner zu sehen: Erst „nach Aussschöpfung des Beschwerdeweges“ und widrigenfalls sogar unter Androhung von Disziplinarmaßnahmen sollen sich dort Polizisten an den Datenschützer wenden können, um zweifelhafte Polizei-Praktiken kontrollieren zu lassen. Diese Androhung in einem Polizei- Rundschreiben verstößt gegen das Bremer Datenschutzgesetz, erklärt Holst, denn „niemand darf gemaßregelt oder benachteiligt werden, der sich an uns wendet.“ Susanne Paas
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