: Na, Rote Armee Fraktion
das habt Ihr ja sauber hingekriegt mal wieder. Unbewachte Leute durch's Fenster erschießen, alle Achtung, ganz toll, große Klasse! Und dann erst Euer Bekennerschreiben: „Zusammen kämpfen und wir werden zusammen siegen“ — ganz klar: Fahne hoch, Reihen fest geschlossen, dann klappt das schon. Da passierte mir doch glatt der Freudsche Verleser mit der Unterschrift: „Kommando Horst Wessel“, las ich da, stimmte aber gar nicht, hieß ja: „Kommando Ulrich Wessel“, tschuldigung. Werde mir in Zukunft alle reaktionären Assoziationen verkneifen, ganz bestimmt.
Aber eins will ich Euch doch mal sagen: Ihr seid noch mieser, langweiliger, verlogener und uneffektiver als die dreimillionste Wiederholung von Dallas: Imperialistische Bestie, revolutionäre Gegenmacht, blabla — habt Ihr Euch jemals gefragt, ob sich überhaupt nur ein einziger Mensch für dieses Gefasel interessiert? Habt Ihr Euch jemals gefragt, ob der Weg, den Ihr beschreitet, auch tatsächlich zu dem Ziel führt, das Ihr anstrebt?
Nein, Ihr werdet jetzt mal Eure Handgranaten beiseite legen und lest weiter. [...] Auch richtige Revolutionäre, so wie Ihr, müssen sich gelegentlich mal Kritik gefallen lassen, wenn sie auch noch so hart sei, so ist das halt in den revolutionären Phasen der Geschichte, also Finger weg vom Abzugshahn und weiterlesen, klar!
Also, menschenwürdiges und selbstbestimmtes Leben wollt Ihr. Nein, selbstverständlich nicht für Herrn Rohwedder oder Herrn Herrhausen, die sollen — klaro — fremdbestimmt leben beziehungsweise sterben, fremdbestimmt durch Euch, wen sonst, Herren und Herrscherinnen über Leben und Tod. Für die Unterdrückten wollt Ihr menschenwürdiges Leben, ja ja, schon verstanden. Die Unterdrückten danken's Euch jubelnd, habt Ihr's auch gehört, was die demonstrierenden Massen auf den Straßen riefen: „Viva Rote Armee Fraktion!“ Nein? Nicht gehört? Komisch. [...]
Immerhin erfüllt Ihr die Sehnsüchte der Menschen nach Ordnung, Sicherheit, starker Hand etc. — herbeigeführt durch die ständige Aufrüstung der Polizei. Aber halt, jetzt muß ich mich bei den Massen entschuldigen, unterstelle ich ihnen doch einfach, ohne sie zu fragen, daß sie den Obrigkeitsstaat wollen, dabei seid Ihr das doch, die diesen wollen. Zumindest tut Ihr alles dafür.
Betonköpfe der Rote Armee Fraktion: Was wir brauchen, das ist Solidarität, Gerechtigkeit, Menschlichkeit. Nie gehört? Na, dann überfallt mal schnell 'ne Buchhandlung und rafft Euch ein Femdwörterlexikon, die stehen da im Regal — nein, nicht die Buchhändlerin erschießen, nicht! — Ach, Scheiße, Ihr vermasselt auch wirklich alles!
So, und dann nehmt mal das geklaute Buch und schlagt nach. „Solidarität“ — das findet man unter „s“. „s“ steht ziemlich weit hinten im Alphabet. Hinter „r“. Vor „t“. Wenn Ihr's nicht findet, entführt einfach jemanden, der des Lesens kundig ist. Und hinterher schön exekutieren nicht vergessen, gell!
Rote Armee Fraktion, Ihr seid wirklich das Allerletzte! Menschenopfer, ja wo sind wir denn! Auge um Auge, Zahn und Zahn, Arbeitslosigkeit im Osten gegen das Leben von Rohwedder? Na, herzlichen Glückwünsch für Eure arschklare Analyse der politischen Verhältnisse, erste Sahne, die!
Macht Feierabend Leute, hört auf! Wenn Ihr so weiter macht, schafft Ihr's vielleicht gar noch, daß selbst ich zum Sympathisanten der Polizei werde, güter Himmel!
Rote Armee Fraktion, für Euch gibt's jetzt nur noch eins: Verpfeift Euch! Dirk Albrodt
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