: Die Finanzsituation Berlins ist dramatisch
■ Nachtragshaushalt verabschiedet/ Regierender Diepgen bestätigt hohe Neuverschuldung/ Keine klaren Aussagen über künftige Kürzungen
Berlin. Der schwarz-rote Senat will die Neuverschuldung des Landes Berlin bis an die »Grenze des Verantwortbaren« treiben, um in diesem und den folgenden Jahren die Löcher im Haushalt stopfen zu können: Das erklärte der Regierende Bürgermeister Diepgen nach der gestrigen Senatssitzung, in der der Nachtragshaushalt für das Jahr 1991 beschlossen wurde. »Die Finanzsituation der Stadt ist problematisch, wenn nicht gar dramatisch«, charakterisierte Diepgen die Lage Berlins nach der Einheit. Für den Ostteil der Stadt beschloß der Senat zusätzliche Mittel im Etat in der Höhe von 12,3 Milliarden Mark für dieses Jahr.
Um den Nachtrag finanzieren zu können, wird die Nettoneuverschuldung, wie bereits letzte Woche bekannt geworden, von 1,4 Milliarden Mark auf 3,9 Milliarden erhöht. Wegen der geringen Einnahmen im Ostteil der Stadt klafft dann aber immer noch eine Lücke von 2,3 Milliarden Mark im Haushaltssäckel. Hier will der Senat in Bonn einen seiner Meinung nach bestehenden Rechtsanspruch nach dem sogenannten 3. Überleitungsgesetz geltend machen und darauf drängen, den Betrag als Bundeshilfe zu erhalten. Der Bundesfinanzminister hat bisher aber lediglich eine Milliarde zugesagt. Finanzsenator Pieroth hat jetzt den Auftrag, in diesem Sinne in Bonn weiterzuverhandeln. Die Signale aus Bonn seien aber dubios, so Diepgen wörtlich.
Als Gegenmittel strebt der Senat eine Verbesserung der Einnahmen und eine Reduzierung der Ausgaben an. Im Klartext heißt das, das Steueraufkommen in den nächsten Jahren zu erhöhen und »Leistungsvorsprünge« der öffentlichen Hand gegenüber vergleichbaren Regionen zu überprüfen. Vor allem im sozialen und im Bildungsbereich gebe es in Berlin solche Leistungsvorsprünge, erklärte Diepgen. Die Größenordnung der Einsparungen werde von den Einnahmen abhängen, auf konkrete Angaben wollte sich der Regierende nicht einlassen. Anfang Mai sollen im Senat Leitlinien der Finanzpolitik verabschiedet werden; zu diesem Termin soll eine »Auflistung« der Leistungsvorsprünge vorliegen. Ende Mai soll der Haushalt vom Berliner Parlament abgesegnet werden.
Kritisiert wurde der Beschluß von der Fraktion Bündnis 90/Grüne: Der Senat kapituliere damit vorschnell vor der unverantwortlichen Politik der Bundesregierung und nehme mittelfristig den finanziellen Ruin der Stadt in Kauf, erklärte der haushaltspolitische Sprecher Arnod Krause. kd
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