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Standbild: Der Russe kommt

■ "Festung Europa" (1.Teil), ARD, Mo., 21.30 Uhr

Wo der eiserne Vorhang als politische Grenze gefallen ist, ist schnell eine neue Mauer nachgewachsen. Heute trennt eine „Grenze der Armut“ die Menschen in Ost und West. Und wieder patroullieren bewaffnete Hundeführer an der österreichisch-ungarischen Grenze, kreuzen italienische Kriegsschiffe in der Adria, um Albanern die Flucht und Einreise zu verwehren. Eintritt für Arme verboten: Das Recht jedes einzelnen, sein Land zu verlassen, wird weiter in Frage gestellt, faßt der sowjetische Rechtswissenschaftler Juri Rechatov die deprimierende Situation zusammen.

In seinem Land wird die Zahl derjenigen, die zumindest für eine begrenzte Zeit in den reichen Westen wollen, auf vier bis sechs Millionen Personen geschätzt. Selbst die Druckkapazität bei der Herstellung von Reisepässen reicht nicht aus, um alle mit dem notwendigen Dokument zu versorgen. Alle Freunde, alle Bekannten, die sie kennen, wollen in den Westen, sagen die befragten Jugendlichen in Moskau. Und der polnische Präsident Lech Walesa droht unverhohlen, er werde zweieinhalb Millionen Arbeitslose über die Grenze schicken, wenn vom Westen keine Hilfe komme und ein Schuldenerlaß der polnischen Wirtschaft die Knebel lockere.

Razzia in einem Hamburger Hotel: Gleich ein Dutzend Flüchtlinge lebt in einem einzigen Hotelzimmer. Besuch in der „Arche Süd“: Auf einem Schiff hat der Hamburger Senat Flüchtlinge und Asylsuchende notdürftig untergebracht. Die Aktenberge der Behörden: Ausländerämter, Arbeitsämter, Sozialämter verwalten resigniert den Massenansturm. Die „Untergrund-EG der Habenichtse“: Auf illegalen Märkten blüht der Handel, versuchen die Armen, wenigstens ein paar Mark zu verdienen.

Der Film hat die unterschiedlichsten Schauplätze in kurzen Wechseln aneinandergefügt, blieb im ersten Teil aber noch stark an der Oberfläche. Das Elend, die Massenflucht der Armen wird durchaus eindrucksvoll beschrieben, aber mehr gibt es nicht. Die „Festung“ Europa und der Wohlstandsrassismus der Reichen werden in dem halbstündigen Beitrag nur angedeutet. Jetzt warten wir gespannt auf die zweite Folge und fragen uns irritiert, warum man diesen Film geteilt hat. Dafür ist er eigentlich zu dünn. Oder sind mehr als 30 Minuten Flüchtlingselend an einem Stück nicht mehr zumutbar? Am nächsten Montag zur selben Sendezeit gibt's die Fortsetzung und hoffentlich etwas mehr Tiefgang.

Eine ganz andere Fortsetzung fand der Film von Berndt Ender und Juliette Rudich am Montag in den anschließenden Tagesthemen mit den Bildern von der deutsch-polnischen Grenze. Steine gegen polnische Busse, Sieg-heil-Gebrüll und „Deutschland den Deutschen“. So wurde das Thema doch noch abendfüllend. Manfred Kriener

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