: Trauer ist etwas Persönliches-betr.: "RAF ermordet Treuhandchef Rohwedder", taz vom 3.4.91
betr.: „RAF ermordet Treuhandchef Rohwedder“ u.a.,
taz vom 3.4.
Zur einheitlich verbreiteten Reaktion auf das Rohwedder-Attentat stellen wir angewidert fest: Die allgemeine Trauer kann nicht echt sein. Woher sollte sie denn kommen? — Trauer ist etwas Persönliches. Rohwedder stand uns nicht näher als die Kurdin, die heute im Nordirak getötet wird.
Uns empört die Verschleierung der alltäglichen strukturellen Gewalt hier und in der ganzen Welt gegen unterdrückte Menschen und Natur. Internationale ökonomische Abhängigkeiten verursachen bekanntermaßen das Verhungern von 40.000 Kindern täglich weltweit. Von daher haben die antiimperialistischen Ziele der RAF immer noch ihre Berechtigung. Vor 20 Jahren hatten Linke dieselben Ziele: Abschaffung der Ausbeutung des Südens durch den Norden und die Zerschlagung des globalen kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems. Die damalige Solidarität mit den Zielen der RAF wurde und wird heute von der Diskussion über die Mittel antiimperialistischer Politik erstickt. Also: Die Realität hat sich weiter verschärft, die Ziele der RAF sind dieselben — geändert hat sich nur das Bewußtsein in den Köpfen der ehemals antiimperialistischen und internationalistisch denkenden Linken.
Von links bis rechts hören wir dieselben Kommentare, die lediglich der unbedingten Abgrenzung von den Mitteln der nur noch „bestialischen Mörderbande“ RAF dienen. Das Attentat erzwingt einen verbalen Konsens aller politischen Gruppen. Opposition existiert dann scheinbar nicht mehr. Der Zwang zur Abgrenzerei entsolidarisiert die Linke immer weiter.
[...] Die RAF ist politisch isoliert. Zum einen vermittelt sie zuwenig Inhalte und Ziele. Zum anderen wird sie isoliert, indem sie auf ihre angewandten Mittel reduziert wird. Das ist unredlich: Ein politisch denkender und handelnder Mensch läßt sich nicht auf die Wahl seiner Mittel beschränken. Vor allem nicht diejenigen, die einst das Mittel „Gang durch die Institutionen“ predigten und dann auch antraten. Tim Köhler, Ulrich Brand,
Berlin
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