: „Es gibt einfache und komplizierte Eier“
■ Kurz vor den Weltmeisterschaften im Tischtennis verwirrt ein Bochumer Physikstudent die Schmetterwelt: Er erfand einen Schläger mit revolutionär-neuer Stromlinienform und phänomenaler „sweet point“-Position
Bochum (taz) — Auf der Visitenkarte von Frank Anhalt (22), Physikstudent aus Bochum, steht es: „...mehr als Physik & Tischtennis.“ Und wirklich, in bewährter Manier der forschenden Jugend hat er einen Tischtennisschläger mit neuer Form entworfen und sogleich patentieren lassen.
Sein Brettchen namens „FUTEC“ (Future and Technology) ist ab August erhältlich. Und ein Gespräch mit ihm ist natürlich eine Nachhilfestunde in Physik — oder war es Mathematik?
Htaz: Wie kommt man denn auf die Idee, daß die Welt neue Tischtennisschläger braucht?
Frank Anhalt: Bei Tischtennisschlägern wurden zwar viele unterschiedliche Beläge ausprobiert und unterschiedliche Hölzer gebraucht, aber die Form ist komischerweise immer dieselbe geblieben. Ganz früher sahen sie zwar noch wie verkleinerte Tennisschläger aus und waren auch mit Saiten bespannt, aber seit den dreißiger Jahren ist die Form eigentlich gleich. Und das hat mich etwas stutzig gemacht.
Welchen Vorteil hat denn eine veränderte Form des Schlägers?
Im letzten Jahr bei einem Trainingslehrgang hat mich jemand darauf aufmerksam gemacht, daß es einen Punkt auf der Schlägerfläche gibt, der besonders ausgezeichnet ist. Der liegt nicht in der Mitte, sondern etwas oberhalb davon, man nennt ihn den „sweet point“. Wenn man den Ball mit dieser Stelle trifft, erreicht man maximale Geschwindigkeit bei maximaler Kontrolle über den Ball. Ich hab mir dann überlegt, daß man, wenn man den „sweet point“ weiter nach außen legt, den Hebelarm verkürzt und dadurch die Geschwindigkeit erheblich steigert. Das ist das alles entscheidende an der ganzen Sache.
Was durch die neue Form ebenfalls optimiert wird, ist der Luftwiderstand. Man hat bei der gleichen Armzuggeschwindigkeit einen geringeren Kraftaufwand und kann die Bälle noch schneller spielen als vorher. Und durch die geniale Eiform hat man zusätzlich noch eine größere Reichweite. Zudem gewährleistet sie, daß die Treffwahrscheinlichkeit gleich bleibt oder gar verbessert wird.
Schreiben die Regeln des Tischtennisverbandes denn keine einheitliche Größe oder Form vor?
In den internationalen Tischtennisregeln steht ausdrücklich, daß ein Schläger nach Größe und Form beliebig sein kann. Die Chinesen zum Beispiel spielen mit abgerundeten Quadraten, weil sie die Schläger anders halten. Die Mitteleuropäer spielen eben mit der komischen Ellipsenform — bis jetzt noch. Aber das läßt sich optimieren.
Nun wären viele Formen denkbar. Wie bist Du gerade auf diese Eiform gekommen?
Ich bin recht systematisch rangegangen. Ich hab auch andere Formen ausprobiert, die Birnenform oder andere Eiformen. Aber dann bin ich auf ebendiese Ei-Form gestoßen. Die nämlich beruht auf einer Formel aus dem Jahre 1908, von einem Herrn Friedrich Münger. Der hat ein Buch geschrieben über Eier. Und das ist jetzt das einfachste Ei, das mathematisch möglich ist. Es gibt nämlich komplizierte und einfache Eier.
Das einfachste Ei?
Ich mach es mal ganz simpel: Jeder weiß, was ein Quadrat ist. Manche wissen auch, was es heißt, etwas „hoch drei“ zu nehmen. Diese Eiform kommt eben mit einem Quadrat und einem „hoch drei“ aus. Die anderen Eier haben halt Exponenten höherer Ordnung oder sogar Logarithmen.
Das hört sich ja sehr überzeugend an. Werden jetzt alle Spieler ihren altgedienten Schläger wegwerfen, um sich sogleich den „FUTEC“ zu kaufen?
So sieht es noch nicht aus. Mein Schläger ist eigentlich nur für Angriffs- oder Allroundspieler gedacht, die allerdings inzwischen 70 bis 80 Prozent aller Spieler ausmachen. Einige Spitzenspieler, die ich leider nicht nennen darf, weil sie Verträge mit anderen Schlägerherstellern haben, waren völlig aus dem Häuschen. Mit so einem Schläger wird deren Spiel noch erheblich schneller. Und das ist es, was Angriffsspieler sich wünschen. Abwehrspieler hingegen, die Geschwindigkeit rausnehmen wollen, können damit wenig anfangen. Wir haben Tests mit 150 reinen Angriffsspielern gemacht. Und wenn man diese Gruppe nochmal in drei Kategorien unterteilt, kann man sagen: Topspin- und Konterspieler fanden den Schläger besser, die Sidespinspieler nicht so.
Wird dieser Schläger einmal deine Rente werden?
Muß man mal sehen. Ich ziehe einfach mal den Vergleich zum Tennis. Da wurde vor fünfzehn Jahren der „Oversize“-Schläger entwickelt. Am Anfang haben alle entsetzt die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Inzwischen machen die aber 13 bis 15 Prozent der Marktanteile aus. Und so eine ähnliche Entwicklung stelle ich mir bei meinen Schlägern auch vor. Interview: Christoph Biermann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen