: Kuwaitis müssen auf Wahlen noch warten
■ Parlamentswahlen erst in eineinhalb Jahren/ Wiederaufbau soll billiger sein als angenommen/ Palästinenser immer noch verfolgt
Kuwait-Stadt/Kairo (afp) — In Kuwait sollen erst im September oder Oktober 1992 Parlamentswahlen stattfinden, erklärte der Staatsminister für Kabinettsangelegenheiten, Abdulrahman el Awadi, am Montag. Am Vormittag hatte der kuwaitische Emir, Scheich Jaber, Wahlen für das kommende Jahr angekündigt, ohne jedoch ein genaues Datum zu nennen. Die kuwaitische Opposition fordert seit langem einen möglichst frühen Wahltermin. Die Bildung einer neuen Regierung, die das am 20. März zurückgetretene Kabinett ersetzen soll, ist nach den Worten Awadis für die Zeit nach dem 20. April, also nach dem Ende des Fastenmonats Ramadan, geplant.
Unterdessen hat die Arabische Menschenrechtsorganisation (OADH) am Sonntag in Kairo die anhaltende Unterdrückung der Palästinenser und anderer Araber in Kuwait angeprangert. Mindestens 210 Palästinenser seien seit der Rückeroberung des Emirats hingerichtet oder zu Tode gefoltert worden; 4.000 weitere seien verschwunden, hieß es in einem Bericht der OADH. Orte, an denen sich häufig Palästinenser aufhielten, würden immer wieder von bewaffneten Kommandos angegriffen. Ganze Familien seien willkürlich verhaftet worden.
Der Wiederaufbau des durch die irakische Besatzung und den Krieg in arge Mitleidenschaft gezogenen Emirats soll weitaus billiger sein als bislang angenommen. Kursierten nach der Rückeroberung Kuwaits im Februar Gerüchte über Summen von mindestens 100 Milliarden Dollar bis zum astronomischen Betrag von über 500 Milliarden Dollar, kalkulieren westliche Industriebosse die Kosten — und damit auch ihre Gewinne — achselzuckend nach unten. Zwischen 20 und 30 Milliarden Dollar koste die Wiederherstellung Kuwaits, sagte ein Delegationsmitglied der in Kuwait weilenden französischen Unternehmer. Der Chef der National Bank of Kuwait, Ali Dabdub, sprach in einem vertraulichen Papier sogar von gerade zehn Milliarden Dollar Finanzbedarf für Aufträge an westliche Unternehmen.
Wer nach Kuwait-Stadt einfliegt, glaubt zunächst an die alten und sehr hohen Kostenschätzungen. Der durch die brennenden Ölquellen verdunkelte Himmel läßt nur schnelle Blicke auf offenbar total zerstörte Industrieanlagen zu. Doch bei einer Fahrt durch Kuwait-Stadt ändert sich das Bild. Der Großteil des Straßennetzes läßt sich mit geringem Aufwand wieder flicken. Auch bei den Häusern sind Totalschäden selten. Die meisten lassen sich mit Renovierungsarbeiten wieder herrichten, kostenträchtige Neubauten sind vielerorts nicht nötig. Außerdem leben von den einst zwei Millionen Menschen nur noch 500.000 bis 700.000 in dem Emirat.
Nach Ansicht der französischen Industriellen muß Kuwait den Großteil seiner Gelder in den Wiederaufbau der Erdölindustrie stecken. Wie viele Milliarden es im Endeffekt sind, weiß derzeit jedoch niemand ganz genau. Nur eines scheint wirklich sicher: Finanzierungsprobleme bekommen die Kuwaiter nicht. Während des Krieges schätzten Fachleute Kuwaits Auslandsvermögen auf weit über 100 Milliarden Dollar. Und als die Finanzwelt noch von ähnlich hohen Aufbaukosten ausging, versprachen die internationalen Banken den Scheichs auf der Stelle großzügige und zinsgünstige Kredite.
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