Töpfer will Weisungsrecht durchsetzen

Betrifft „Schacht Konrad“: Bundesverfassungsgericht entscheidet, ob Töpfers Weisung an Niedersachsen, die Planfeststellungsunterlagen auszulegen, befolgt werden muß/ Griefahn: Weisung ist rechtswidrig  ■ Aus Karlsruhe Jürgen Voges

Muß das Land Niedersachsen im Genehmigungsverfahren für das atomare Endlager Schacht Konrad einer Weisung des Bundes Folge leisten, auch wenn diese Weisung vom Land ein rechtswidriges Verhalten verlangt? Um diese juristische Streitfrage drehte sich gestern die mündliche Verhandlung des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts, vor dem der Bundesumweltminister Töpfer Klage gegen die Niedersachsen erhoben hatte, um seiner „Bundesaufsichtlichen Weisung vom 24.1.91“ Geltung zu verschaffen. Niedersachsen soll durch das höchste bundesdeutsche Gericht verpflichtet werden, die Planfeststellungsunterlagen für Schacht Konrad umgehend auszulegen. Eine gesonderte Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für das Endlager, wie sie das UVP-Gesetz seit dem 1. August letzten Jahres auch für solche Projekte verlangt, hatte Töpfer mit seiner Weisung für überflüssig erklärt.

Die niedersächsische Umweltministerin Monika Griefahn verlangte bisher jedoch weiterhin eine gesonderte Endlager-UVP und hatte selbst gegen die Weisung Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht in Berlin erhoben.

Die Verhandlung in Karlsruhe begann denn auch zunächst mit einem Einstellungsantrag der Niedersachsen. Wenn das Bundesverwaltungsgericht in seiner am 24. April in Schwerin geplanten Verhandlung die Klage Niedersachsens abweise, trug der Berliner Rechtsanwalt Rainer Geulen für das Land vor, so werde das Land selbstverständlich anschließend die Planfeststellungsunterlagen auslegen. Bald zehn Jahre laufe das Schacht-Konrad-Verfahren schon, und jetzt bemühe der Bundesumweltminister wegen einer Verzögerung von zwei bis drei Wochen das Bundesverfassungsgericht. Mit dieser geringen Verzögerung lasse sich kein verfassungsgerichtlicher Streit begründen.

Ohne nähere Begründung lehnte der Vorsitzende des 2. Karlsruher Senats, Ernst Gottfried Mahrenholz, diesen Antrag auf Aufhebung des Termins ab. Auch hat das Bundesverfassungsgericht bisher alle Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern noch selbst entschieden.

Bundesumweltminister Töpfer warf den Niedersachsen vor, mit der Blockade des geplanten AtommüllEndlagers den Ausstieg aus der Kernenergie erzwingen zu wollen. Das widerspreche dem Atomgesetz. Seine Kollegin Monika Griefahn gab ganz „bundesfreundlich“ den Vorwurf zurück: Seit dem 1.8. sei nun einmal eine übergreifende Umweltverträglichkeitsprüfung vorgeschrieben, in der die Auswirkungen der Anlage darzustellen sei. Wenn die Planunterlagen ohne diese UVP ausgelegt würden, werde kein Mangel beseitigt, sondern ein dauernder neuer Verfahrensmangel geschaffen. Zu einer viel größeren Verzögerung werde es kommen, wenn die Auslegung wegen der fehlenden UVP später wiederholt werden müßte.

Den Prozeßvertreter des Bundesumweltministers, Professor Fritz Ossenbühl, interessiert es allerdings nur wenig, daß die Niedersachsen eine Auslegung ohne UVP als rechtswidrig bezeichneten. Die landläufige Meinung, „daß eine Weisung nicht zu rechtswidrigem Verhalten verpflichten darf“, sei falsch, sagte Ossenbühl. Das Weisungsrecht gebe dem Bund im Streit mit den Ländern das Recht, seine Meinung durchzusetzen. Zwar sei der Bund im Schacht-Konrad-Verfahren auch Antragsteller, und die Weisung sei damit gewissermaßen pro domo ergangen. Doch diese gewisse Aufsichtsverschränkung gebe zu Bedenken keinerlei Anlaß. Rechtsanwalt Geulen stellte dann noch einmal dar, wie der Bund auf die Forderung nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung lediglich alte Akten kopiert und ins Umweltministerium gesandt hatte. Den 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts konnte er mit diesem Hinweis aber wohl kaum überzeugen. Schließlich hatte gerade dieser Senat schon in seiner Kalkar-Entscheidung im vergangenen Jahr festgelegt, daß ein Land im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung auch rechtswidrige Weisungen zu befolgen hat. Am Ende warfen die Richter die Frage auf, ob zusammen mit dem Urteil gegen Niedersachsen noch eine „Vollstreckungsanordnung“ erlassen werden müsse. Griefahn versicherte daraufhin, daß sie das Urteil des Gerichts ohne Verzögerung umsetzen werde. Verkünden wird der 2. Senat seine Entscheidung heute um 12 Uhr.