: Irren ist menschlich
■ Frankfurt/Oder nimmt Kündigung von ehemaligen RAF-Mitglied Freiherr von Seckendorff zurück
Frankfurt/Oder. Die Stadt Frankfurt/Oder wird die Kündigung eines ehemaligen Mitglieds der Rote Armee Fraktion (RAF) zurücknehmen und in einen Aufhebungsvertrag umwandeln.
Auf diesen Kompromiß einigten sich am dienstag bei einem Gütetermin vor dem Kreisgericht Frankfurt/Oder der Arzt Freiherr von Seckendorff als Kläger und Christian Gehlsen, Frankfurter Dezernent für Soziales. Die Forderung nach Bereitstellung eines neuen Arbeitsplatzes für den einstigen RAF- Mann wurde nicht erfüllt.
Freiherr von Seckendorff, der unter dem Namen Dr. Horst Winter seit 1986 die Frankfurter Beratungsstelle für Alkoholkranke geleitet hatte, war Mitte 1990 als einstiges RAF-Mitglied enttarnt worden. Daraufhin hatte ihn die Stadt fristlos entlassen. Der jetzt arbeitslose von Seckendorff lebt heute unter dem Namen Winter in Eisenhüttenstadt. Das war auch die erste Station nach seinem Untertauchen mit falscher Identität in der Ex- DDR. Dort hatte er sich zum Facharzt qualifiziert. Seine Approbationsurkunde aus der Ex-DDR war auf „University of Beirut“ ausgestellt worden.
Gehlsen war nicht bereit, dem Arzt eine Abfindung zu zahlen. Auch über die eventuelle Bereitstellung eines neuen Arbeitsplatzes könne erst nach einem ausführlichen Gespräch mit von Seckendorff entschieden werden. Der Vertrauensbruch gegenüber den Patienten und die Nähe ehemaliger RAF-Leute zur Stasi, sagte der Dezernent, der etwa zeitgleich eine ähnliche, konfessionelle Beratungsstelle geleitet hatte, dürfe so nicht im Raum stehenbleiben.
Die Gegenpartei bestand auf einer schnellen Lösung.
Die Angelegenheit ziehe sich schon seit Monaten hin, erklärte von Seckendorffs Berliner Anwalt. Bis zum 30.April, so lautet die Einigung, wird Winter der Entwurf einer „qualifizierten“ Beurteilung, die nur seine medizinische Tätigkeit einschätzt, vorgelegt. Danach soll ein Aufhebungsvertrag mit ihm gemacht werden. adn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen