: Senat soll Kurden aufnehmen
■ Berliner Initiative will ÄrztInnen in Flüchtlingsgebiet schicken/ Fraktion Bündnis 90/Grüne/ UFV fordert Abschiebestopp für Kurden/ Nur 2.000 TeilnehmerInnen bei der Demonstration gegen Völkermord an Kurden/ Wenig deutsche Beteiligung
Berlin. Was seit Tagen die Schlagzeilen beherrscht, wird heute auch das Berliner Abgeordnetenhaus beschäftigen. Sollte der Dringlichkeitsantrag der Fraktion Bündnis 90/Grüne/UFV angenommen werden, wird das Berliner Parlament die Bundesregierung auffordern, umgehend kurdische Flüchtlinge in der Bundesrepublik aufzunehmen und für Verletzte medizinische Behandlung zu gewährleisten. Man habe während des Golfkrieges zahlreiche Krankenhäuser in der BRD für die Aufnahme verwundeter alliierter Soldaten vorbereitet. »Diese medizinischen Einrichtungen«, so die Begründung des Antrages, »müssen jetzt den kurdischen Flüchtlingen und irakischen Opfern zur Verfügung gestellt werden.« Bündnis 90/Grüne/UFV fordern zudem einen sofortigen Abschiebestopp für KurdInnen in Berlin. Entsprechende Beschlüsse haben bislang die Bundesländer Bayern, Hessen und Niedersachsen gefaßt.
Bei Appellen an die Bundesregierung will es der SPD-Politiker Harry Ristock nicht belassen. In einem Gespräch mit der taz (siehe unten) forderte Ristock, Berlin müsse in der Unterstützung für die Kurden ein Zeichen setzen und von Giftgas betroffene Flüchtlinge hier aufnehmen und medizinisch versorgen. Entsprechende Anstrengungen hatte bislang nur die Berliner Ärztekammer in Zusammenarbeit mit kurdischen Organisationen und dem Ostberliner Solidaritätskomitee unternommen. Dank dieser Bemühungen befinden sich seit Juni 1990 fünf junge Kurden, alle Überlebende der Giftgasangriffe der irakischen Armee im Jahre 1988, in Berlin in ärztlicher Behandlung. Da es für kurdische Giftgasopfer keine humanitäre Aufenthaltsregelung gibt, warten und hoffen die Flüchtlinge nun auf einen positiven Bescheid ihrer Asylanträge.
Einen entsprechenden Aufruf hat unterdessen die deutsch-kurdische Initiative Clara Haber an MitarbeiterInnen des Berliner Gesundheitssystems gerichtet. Die Initiative wurde von ÄrztInnen aus Diyarbakir in Türkisch-Kurdistan um Hilfe gebeten und will nun umgehend eine Delegation in das Flüchtlingsgebiet entsenden, um dort Vorbereitungen für den Aufbau von Ambulanzen zu treffen. Der Name der Gruppe geht zurück auf die Ehefrau des deutschen Giftgasexperten Fritz Haber. Haber hatte während des Ersten Weltkrieges dem deutschen Militär Giftgaswaffen zur Verfügung gestellt — gegen den entschiedenen Widerstand seiner Frau, die schließlich Selbstmord beging. Die Initiative will in Berlin zudem die unentgeltliche medizinische Behandlung von Giftgasopfern aus dem Irak organisieren. Dabei hofft man auf größere Resonanz in der Öffentlichkeit, als sie gestern abend die VeranstalterInnen einer Demonstration gegen den Völkermord an den Kurden erfuhren. Nur 2.000 Menschen hatten sich am Breitscheidplatz eingefunden. Obwohl neben kurdischen und irakischen Gruppen auch die Friedenskoordination, Bündnis 90/Grüne/UFV und die GEW aufgerufen hatten, war die deutsche Beteiligung mäßig. Dem Zug gingen Kinder voran, die mit Plakaten an die Opfer des Giftgas-Massakers 1988 im kurdischen Halabja erinnerten. Unter den Rufen »Saddam ist ein Mörder und Faschist« hatten zuvor Kurden die irakische Flagge verbrannt. Mit Transparenten erinnerte auch die »Assyrische Union« Berlins an die Menschenrechtsverletzungen gegen Assyrer im Irak. Die Demonstration dauerte bei Redaktionschluß noch an. anb/usche
Kontakt zur Initiative Clara Haber: Hinbun, Jagowstraße 19, 1/20, Tel.: 3366662 oder Halk Kösesi, Crellestr. 38, 1/62, Tel.: 7813022
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