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Noch kommt die größte Hilfe von den Kurden

■ Die Bundesrepublik will Luftbrücke für die Versorgung der kurdischen Flüchtlinge einrichten/ Der Irak verurteilt internationale Hilfe als Angriff auf seine Souveränität/ Klagen über die Ausnutzung der Notlage durch türkische Soldaten

Berlin (afp/dpa/ap/taz) — Während die UNO und die EG über die Errichtung von Sicherheitsenklaven im Irak debattieren, geht das Drama im Norden des Irak weiter. Hunderttausende Kurden versuchen über die Berge in die Türkei und den Iran zu flüchten, und sind nun zwischen den Truppen der irakischen Armee und den türkischen Grenztruppen eingekesselt. Hunger und Erschöpfung fordern unzählige weitere Opfer. Flugzeuge aus den USA, Großbritannien und Frankreich werfen über dem irakisch-türkischen Grenzgebiet weiter Pakete mit Nahrungsmitteln, Wolldecken und Zelten ab. Insgesamt wurden bis Dienstag abend von den Maschinen, die vom südosttürkischen Incirlik starteten, 200 Tonnen Güter in insgesamt 41 Flügen abgeworfen. 150 Tonnen Hilfsgüter wurden von amerikanischen Herkules-Flugzeugen transportiert und weitere 50 Tonnen von französischen und britischen Flugzeugen. Zwei Flüchtlinge wurden am Dienstag in der Südtürkei von herabgeworfenen Hilfspaketen erschlagen.

Die Zahl der kurdischen Flüchtlinge auf türkischem Boden wird derzeit auf mindestens 200.000 bis 300.000 geschätzt. Da die internationale Hilfe erst langsam anläuft, ist die erste und bislang auch größte Hilfe von den Bewohnern der kurdischen Dörfer und Städte im Südosten der Türkei geleistet worden. Auch am Mittwoch schien noch die Hilfe der türkischen Kurden für ihre Landsleute aus dem Nordirak zu überwiegen.

Mit Empörung berichteten Bewohner der kurdischen Stadt Sirnak, daß türkische Soldaten in den letzten Tagen in mehreren Fällen die Notlage der Flüchtlinge ausgenutzt hätten. Manche Soldaten hätten Hilfsgüter unterschlagen, andere hätten Lebensmittel aus Hilfslieferungen gegen Habseligkeiten oder Goldschmuck von Flüchtlingen eingetauscht oder den Verhungernden Schafe zu Wucherpreisen verkauft.

Die Bundesrepublik will noch in dieser Woche eine Luftbrücke einrichten, um den kurdischen Flüchtlingen an der türkisch-irakischen Grenze zu helfen. Täglich sollen zwei Transall-Maschinen der Luftwaffe Hilfsgüter von der Bundesrepublik aus nach Diyarbakir in Südostanatolien fliegen, die dann von deutschen Hubschraubern in einem Pendeldienst direkt zu den Flüchtlingslagern gebracht werden.

Noch in dieser Woche sollen deutsche Ärzte und Krankenschwestern sowie hundert Rotkreuz-Helfer in der Türkei eintreffen, die sich um Kranke und Verwundete unter den Flüchtlingen kümmern sollen. Dazu wird ein Feldhospital mit 200 Betten in das unwegsame Grenzgebiet gebracht. Da es in den Lagern überall an sauberem Wasser fehlt, werden von Deutschland aus auch Wasseraufbereitungsanlagen und Wassertanks geschickt. Unterdessen schickte die französische Regierung eine Boeing 707 mit Hilfsgütern in den Nordiran. Das Flugzeug traf nach Angaben des iranischen Fernsehens auf dem Flughafen von Täbris im iranischen Aserbaidschan ein. Ein erstes französisches Flugzeug war am Samstag in Täbris eingetroffen. Japan will den Flüchtlingen im Iran und der Türkei Medikamente und Zelte im Wert von 1,2 Millionen Mark schicken. Die Schweiz stellte am Dienstag zehn Millionen Schweizer Franken (etwa zwölf Millionen Mark) für Hilfsgüter und die Entsendung von Hilfspersonal bereit. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) will für 400.000 Mark Kleidung und Nahrung liefern. In einem Brief an den UN-Sicherheitsrat hat der irakische Außenminister Ahmed Hussein am Dienstag energisch gegen humanitäre Hilfeleistungen für die flüchtenden irakischen Kurden protestiert. Er bezeichnete die Entscheidung der USA und Großbritanniens, den flüchtenden Kurden im Nordirak verstärkt Lebensmittel und sanitäre Hilfsgüter zukommen zu lassen, als Angriff auf die irakische Souveränität und eine direkte Einmischung in die innenpolitischen Angelegenheiten seines Landes. Das internationale Recht werde dadurch schändlich gebrochen, hieß es in dem Brief weiter. Den Abwurf von „Brocken von Nahrung und Decken“ bezeichnete der irakische Außenminister als „prahlerische Operation, die nichts Humanitäres an sich hat“. Sein Volk brauche viel mehr die sofortige Aufhebung des internationalen Embargos.

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