: Verhängnisvoller Kreislauf-betr.: "Das kurdische Trauma von Benny Peiser", taz vom 6.4.91
betr.: „Das kurdische Trauma“ von Benny Peiser, taz vom 6.4.91
Die Ereignisse im Nahen Osten zeigen, daß es gewiß nicht ganz unrichtig ist, den Golfkrieg 91 als die große Heuchelei auf vielen Seiten — auch vieler „Friedensbewegter“ — zu bezeichnen. Doch jeder Krieg ist Heuchelei: die Leugnung von Leben allgemein!
Aber der Friedensbewegung erneut ihren „prinzipialistischen Pazifismus“ vorzuwerfen und die Geißler-Kritik am Pazifismus der dreißiger Jahre zu wiederholen, zeigt auf beschämende Weise das kurze Scheuklappendenken vieler Kriegs- und Gewaltbefürworter. Die zwei Grundmaximen des Pazifismus werden (absichtlich?) ignoriert. Einmal die Achtung jeglichen Lebens und zum zweiten die historische Erkenntnis, daß Gewalt beziehungsweise Krieg keine Probleme löst. Die Probleme werden nur vor sich hergeschoben. Krieg scheint nur dann eine Lösung, wenn man die Probleme unzulässigerweise reduziert, wie im Golfkrieg auf Hussein oder den Nationalsozialismus auf Hitler. Und damit reduziert man auch die Menschen: auf angeblich nötige Opfer!
Der wiedermalige Völkermord war absehbar und liegt in zwingender Konsequenz zur Bereitschaft des Westens, einen Krieg gegen das irakische Volk zu führen. „Wer Wind säht, wird Sturm ernten!“ Aber gerne würden wir uns natürlich von dieser Schuld befreien, nicht wahr? Durch erneute Waffengewalt, wie sie Benny Peiser fordert? Welch ein verhängnisvoller Kreislauf — und keiner scheint bereit, ihn zu durchbrechen. Rainer Landele, Trier
Wann hört endlich das blöde Gequatsche über die Friedensbewegung auf? Erstens gibt es „die Friedensbewegung“ überhaupt nicht, sondern eine Vielzahl verstreuter, sehr unterschiedlicher, einer zentralen Lenkung kaum zugänglicher Gruppen, die jeweils intern über Themen, Aktionen und eine eventuelle Koordinierung entscheiden, zweitens richten sich ihre Aktionen sinnvollerweise an die eigene Regierung und deren Bündnis, weil nur dort eventuell eine Wirkungsmöglichkeit besteht; internationale Konflikte thematisieren sie nur, wenn der eigene Staat militärisch, wirtschaftlich, bündnismäßig involviert ist, drittens können sie nur wirken, wenn es ihnen gelingt, viele Menschen für ihr Thema zu bewegen, was von der politischen Struktur ihrer Region abhängt. Allein haben sie keine Chance.
Seit 1945 hat es immer wieder Protestbewegungen mit verschiedenen Schwerpunkten — Frieden, Ökologie, Dritte Welt — gegeben, deren Potential nicht sauber zu trennen ist. Diejenigen, die sich auf Frieden konzentrierten, richteten sich gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands, gegen Notstandsgesetze, Atombewaffnung, Raketenstationierung, Manöver, militärisch- wirtschaftliche Gewaltanwendung und immer gegen Waffenproduktion und -export, kurz, gegen alle Entwicklungen, die bekanntlich Kriege hervorbringen und ohne die ein Mann wie Saddam Hussein nie zur Bedrohung geworden wäre. Da sie nicht straff organisiert sind, ist ihr Potential einer ständigen Fluktuation unterworfen. Es gibt Abwanderungen, Zuwanderungen, Zwischenwanderungen, Totalschwund. Gelegentlich versiegen sie ganz. Das ist seit 1945 mindestens fünfmal passiert. Wenn sich nach der Flaute eine neue Welle erhob, bestand sie teils aus alten, teils aus ganz anderen Leuten, hatte andere Auslöser, andere Ziele, gelegentlich andere Formen. Im Golfkrieg waren es die als unpolitisch verschrienen Schüler, die den Anstoß gaben.
Es ist deswegen völlig idiotisch, auf „der Friedensbewegung“ herumzuprügeln, weil „sie“ irgendetwas tut oder nicht tut. Wenn sie im Niedergang ist, wird sie untergehen. Das macht nichts. Die nächste Welle kommt bestimmt. Wann, wie, wo ist nicht vorauszusehen. Das Gegeifere der Politiker und Journalisten hat darauf kaum einen Einfluß... Ruben Rehmann,
Trostberg/Obb.
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