Der Psychologe als Lifestyle-Moderator

■ Der Werdegang des Andreas „Leo“ Lukoschik: Ein Trendsetter ohne Starallüren

Seine äußere Erscheinung ist wie stets makellos. Ohne Aufhebens tritt Andreas Lukoschik unter die Anwesenden und wird dennoch unverzüglich zur Kenntnis genommen. Auch ohne Kamerateam im Rücken und Mikrophon in der Hand fällt der nicht gerade großgewachsene Fernsehmoderator selbst in einer größeren Menschenansammlung sofort ins Auge; unverkennbar sind die rote Brille, die Zigarre und — vor allem — die rote Weste, die auch schon mal zum Talkshow-Thema wurde.

Seit Februar 1988 moderiert der 38jährige Lukoschik für den Bayerischen Rundfunk die Sendung Leo's, die ein Klatschmagazin zu nennen untertrieben wäre und ungerecht, vornehmlich gegenüber den Autoren des Magazins. Lukoschik ist ganz und gar nicht unzufrieden, wenn das Publikum Leo's als satirische Sendung auffaßt: „So sollte man sie, glaube ich, sehen“, sagt er, der mit dem titelgebenden Leo identifiziert wird, seit er unter einer Vielzahl von Aspiranten als Galionsfigur [nein, sie hat nichts mit galle zu tun, diese figur, d. s-in] entdeckt wurde. Gelernt, besser gesagt studiert hat er etwas nominell Branchenfremdes, aber sehr Brauchbares, nämlich Psychologie. Die Lehrinhalte Statistik und Neurophysiologie waren ihm ein bißchen zu wenig, und er beschloß zusätzlich eine Ausbildung zum Psychotherapeuten zu absolvieren. Die aber kostete Geld, und der Diplompsychologe zog ernsthaft in Erwägung, wie bereits früher schon einer Erwerbstätigkeit als Schlafwagenschaffner nachzugehen. Dann passierte etwas, was Lukoschik in euphemistischen Worten wie folgt zusammenfaßt: „Aber dann bot sich der Journalismus an, und so rutschte ich langsam in den Journalismus rein, und allmählich aus der Psychologie heraus.“ Dieses vorsichtige „allmählich“ bedeutet, daß der Nachwuchsschreiber, wie es seiner Natur entspricht, das auf den ersten Blick Widersprüchliche sinnvoll zu verbinden wußte: Er schrieb einerseits Lifestyle-Artikel und machte andererseits die Öffentlichkeitsarbeit für eine Drogentherapieklinik. Die Gegensätze kamen nicht von ungefähr: „Man ist ja Psychologe nicht aus Versehen, sondern man hat sich das ja ausgesucht, weil man damit bestimmte Ansprüche verbunden hat.“ Die hat er nach wie vor, und das Gelernte ist ihm noch heute mehr als nützlich, im Umgang mit kapriziösen Interviewpartnern bespielsweise, aber auch, so merkt er nachdenklich an, wenn es darum geht, mit dem Rummel um die eigene Person fertigzuwerden — „weil man ja ganz schnell der Phantasie aufsitzen kann, man wäre in der Tat etwas Besonderes, bloß weil einen so viele Leute kennen. Da muß man aktiv und konzentriert wirklich gegensteuern, um natürlich und normal zu bleiben. Von daher ist es ganz wichtig, daß man auch seine Schwächen kennt und mit denen umzugehen weiß...“

Diese Popularität errang er, als er beim Bayerischen Rundfunk vorstellig wurde, um vom Schreibtisch wegzukommen und vor die TV-Kameras zu wechseln. Man hörte sein Anliegen geduldig an und versprach, sich gelegentlich zu melden. Zwei Jahre dauerte es, bis ein Redakteur des BR einen Moderator für eine Sendung suchte, deren Konzeption vom damaligen Zuschauererfolg Kir Royal inspiriert worden war. Die „rote Brille“, wie Lukoschik sich selbst gerne nennt, war einer von 25 Kandidaten, trat an und traf exakt die Vorstellungen des zuständigen Redakteurs. Seither ist er Moderator, Ideenlieferant und Texter für Leo's, jenes Magazin, das seine Themen unter den Prominenten, Exzentrikern und außergewöhnlichen Menschen dieser Welt sucht und findet, das manchmal Hofberichterstattung zu betreiben scheint und doch immer eine satirische Spitze oder ein mit spitzer Zunge plaziertes Bonmot parat hält.

Seit September 1989 wird Leo's bundesweit ausgestrahlt und erreicht seither alle 14 Tage ungefähr vier Millionen ZuschauerInnen. Die beim Wechsel ins Hauptprogramm laut gewordene Klage, Leo's habe sich zum Nachteil verändert, kann Lukoschik nicht nachvollziehen. Er hat den Test gemacht und aus den bisherigen 68 Folgen willkürlich einige herausgegriffen und alte mit neuen verglichen: „Ich muß sagen, da gibt es keine großen Unterschiede. Wir waren nicht bissiger, wir waren nicht schneller...“ Nur eines hat sich geändert: Bestimmte Persönlichkeiten, die im regionalen Rahmen ohne weiteres zu identifizieren sind, müssen in einer bundesweit ausgestrahlten Sendung eingeführt und vorgestellt werden. Das nimmt den Beiträgen ein wenig von der gewohnten Spontaneität, aber: „Wir versuchen das eben anderweitig aufzufangen.“

Spontaneität ist eines der Zauberworte in der Leo's-Redaktion. Bis zur letzten Minute arbeitet das Team an der jeweiligen Ausgabe, was besonders die Redakteure der Fernsehzeitschriften häufig zur Verzweiflung treibt, weil sie keine einzelnen Beiträge ankündigen können.

Die besten Ideen entstehen am Redaktionstisch, berichtet Lukoschik, der ausdrücklich betonen möchte, daß „ich das nicht alles alleine mache... Habe ich das jetzt hinreichend gemacht?“ Von Anfang an bestand er darauf, daß weder er noch andere einzelne Autoren den Inhalt der Sendung bestimmen, sondern daß sie aus gemeinschaftlicher Arbeit heraus entstehen. So geschah es, und das, mit anderen Sendungen verglichen, intelligent unterhaltende Ergebnis gibt der Arbeitsmethode recht, die Lukoschik folgendermaßen beschreibt: „Wir sitzen immer alle zusammen, ein Wort gibt das andere, wir blödeln um die Wette, und irgendwann, so nach einer Woche, steht dann das Konzept“ — das noch bis kurz vor der Ausstrahlung weiteren Änderungen und Aktualisierungen unterworfen werden kann.

Zur Themenfindung stöbern die Leo's-Zeitgeistfahnder in der gesamten Republik herum; und so manch ein auf Publicity erpichter Snob bietet seine jeweilige Festivität auch schon mal selbst an. Nur wenn etwas „objektiv interessant ist“, wenn „wir die satirische Kurve kriegen“ oder „der etwas ungewöhnliche Ansatz“ erkennbar ist, finden die Vorschläge Gnade vor den rotbebrillen Augen. Für alle Beiträge gilt, was Lukoschik zu seiner vierzehntägig aufgestellten „ultimativ-subjektiven In- & Out-Liste“ anmerkt: „Ich sehe das Ganze als ironische, möglichst lustige Zeitkritik.“

Den „originellsten“ Punkt seiner Biographie spart sich die sonst mit Pointen nicht geizende Spottbrille bis zum Schluß des Gespräches auf: Der Edelzwirnträger, der so sehr zur Münchner Schickeria zu gehören scheint wie die Maß Bier zum Oktoberfest, der dem Erscheinungsbild eines versehentlich mit Intellekt gesegneten typisch bajuwarischen Stenz' meist recht nahe kommt, der auf jedem gesellschaftlichen Parkett eloquent pirouettierende, auf allen Lifestyle-Pisten beheimatete, wendige Zeitgeist-Kommentator gesteht im Weggehen, aus dem im Ostwestfälischen zu suchenden Kleinstkurort Bad Salzuflen zu stammen. Und da verschlägt es dem eifrig notierenden Reporter dann doch noch die Sprache. Harald Keller