piwik no script img

Slowenien lehnt Referendum ab

Der Beschluß der Präsidenten der jugoslawischen Republiken vom Donnerstag, eine Volksbefragung über die Alternative „Konföderation und Föderation“ abzuhalten, ist überholt/ Markovic unter Druck  ■ Aus Belgrad Roland Hofwiler

Die Republik Slowenien hat die zwischen den Präsidenten aller sechs Landesteile vereinbarte Volksabstimmung über die Zukunft Jugoslawiens bereits wieder abgelehnt. „Wir haben uns schon entschieden. Daher kommt ein Referendum für uns nicht in Frage“, begründete der slowenische Präsident Milan Kucan in der Nacht zum Freitag diese Weigerung. Die Präsidenten waren bei allen Meinungsverschiedenheiten über den Fortbestand oder die Auflösung Jugoslawiens in der slowenischen Stadt Kranj übereingekommen, die Zukunft des Vielvölkerstaates bis Ende Mai in einer Volksabstimmung in allen sechs Republiken entscheiden zu lassen. Dabei sollen die Bürger entscheiden, ob der heutige Bundesstaat aufrechterhalten oder in einen lockeren Bund souveräner Einzelstaaten (Konföderation) umgewandelt werden soll. Slowenien, Kroatien und auch Mazedonien beharren aber weiterhin darauf, sich in naher Zukunft als „unabhängige Staaten“ zu erklären. Die Republiken Serbien und Montenegro wollen weiter den Status quo, während Bosnien eine ambivalente Haltung einnimmt.

„Ich sehe keine Hoffnung für die Reformen von Ante Markovic.“ Mit diesen Worten beschrieb Sloweniens Regierungschef Lojze Peterle einen letzten verzweifelten Versuch des jugoslawischen Ministerpräsidenten vom Donnerstag, die zerstrittenen Brüder auf ein „Minimum an Gemeinsamkeiten“ zu verpflichten. Markovic hat wiederholt klargemacht, daß eine völlige Blockade der Bundesregierung durch den monatelangen Boykott der Landesteile Jugoslawien in ein „totales Chaos“ stürzen wird. Er hat jetzt den unwilligen Republiken bis zum nächsten Donnerstag ein Ultimatum gestellt, doch noch die Arbeit der Bundesorgane zu unterstützen. Eine solche Unterstützung ist aber ausgeschlossen: „Das sind doch veraltete Geschichten“, machen sich inzwischen Peterle und Kroatiens Regierungschef Josip Manolic über den hilflosen Bundesregierungschef lustig. Kroatien und Slowenien sind offenbar übereingekommen, Markovic zu stürzen. Serbien fordert die Auswechslung der Premiers, weil er „eine katastrophal falsche Wirtschaftspolitik“ betreibe. Möglicherweise wird Markovic selbst kommenden Freitag im Parlament die Vertrauensfrage stellen, wenn sein Ultimatum an die Republiken am Donnerstag verstrichen ist.

Milan Kučan und sein kroatischer Amtskollege Franjo Tudjman brachten ihrer Empörung Ausdruck, wie die USA und die EG weiterhin vorbehaltlos den gesamtjugoslawischen Kurs des Premiers unterstützen. Die EG hatte Anfang der Woche verlauten lassen, Jugoslawien müsse als staatliche Einheit in der jetzigen Form bestehen bleiben. Offensichtlich herrscht in Brüssel die Besorgnis vor, bei einer Abspaltung von Kroatien und Slowenien könnten in Südosteuropa Grenzfragen zur Diskussion gestellt werden — bei dem bunten Völkergemisch eine nicht ungefährliche Entwicklung. Eine Kostprobe dieser Konflikte lieferte der bosnische Präsident Azetbegovic, der wegen Auseinandersetzungen zwischen Serben und Muslimanen den Gipfel vorzeitig verlassen mußte. Zudem wurden von der bosnischen Polizei über tausend Maschinengewehre beschlagnahmt, die vermutlich für die serbische Enklave in Kroatien, Karajina, bestimmt war. Eines ist aber sicher: Der nächste Krisengipfel soll nächste Woche in Mazedonien abgehalten werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen