: SPD-Beirat droht Senator mit Anzeige
■ Beirat klagt über Untätigkeit der Polizei/ taz-Gespräch mit RA Oelbermann
Dirk Oelbermann, Rechtsanwalt und SPD-Beiratsmitglied im Viertel, hat auf der Sitzung des Beirates Bremen-Mitte eine Strafanzeige gegen Innensenator Peter Sakuth angekündigt. Es ging zum wiederholten Mal um die Drogenprobleme im Ostertor/Steintor. Der Beirat forderte quer durch alle Fraktionen mehr Polizeipräsenz und warf dem Senat Untätigkeit vor. Nach Oelbermanns Willen soll jetzt Justitia die Staatsmacht auf Trab bringen.
taz: Was werfen Sie Sakuth vor?
Dirk Oelbermann: Strafvereitelung im Amt nach Paragraph 258a des Strafgesetzbuches. Wobei noch zu überprüfen ist, ob Sakuth die richtige Adresse ist oder der Polizeipräsident. Der Strafrechtsparagraph 258 stellt die Vereitelung der Verfolgung von Straftaten oder Vollstreckung von Urteilen unter Strafe, der 258a bezieht sich ausdrücklich auf Amtsträger, die eine Verfolgung von Straftaten vereiteln.
Was wollen Sie mit einer Strafanzeige erreichen?
Alle bisherigen Aktivitäten hier, sei es vom Beirat oder von Bürgerinitiativen, sind gescheitert. Das ist etwas herbe für uns. Die Anwohner hier rufen häufig die Polizei an, wegen Handel mit Drogen oder wegen Drogenkonsum unmittelbar vor ihrer Haustür. Oft vergehen anderthalb Stunden, bis ein Streifenwagen kommt. Dann ist natürlich alles zu spät.
Wir können uns schließlich nicht selbst bewaffnen, und das wollen wir auch nicht. Meine Strafanzeige ist ein Ausdruck der Frustration, ein Vehikel, um den Anspruch der Bürger durchzusetzen, die Polizei zum Einschreiten zu bringen.
Rücken Sie damit als SPD-Mitglied nicht in die Nähe der CDU, die immer nach öffentlicher Sicherheit und Ordnung ruft?
Anders als in anderen Länderpolizeigesetzen haben die liberalen Bremer irgendwann die „Ordnung“ aus ihrem Polizeigesetz herausgenommen. Das führt zu einer Verringerung des Eingriffsrahmens der Polizei, eben nur noch, wenn die „Sicherheit“ in Gefahr ist. Wir sind uns aber im Beirat alle einig, daß wir ein Minimum an öffentlicher Ordnung hier brauchen. Wenn man auf dem Bürgersteig noch langgehen kann, ist es ja gut. Ich wäre schon zufrieden, wenn die Drogensubkultur auf den Level von vor vier bis fünf Jahren zurückgefahren werden könnte. Dabei geht es mir nicht um Rachegefühle den Drogenabhängigen gegenüber. Auch die Bestrafung spielt überhaupt keine zentrale Rolle.
Aber reibt sich die CDU nicht die Hände, wenn ein SPD-Beiratsmitglied gegen den SPD-Innensenator klagt?
Das sehe ich in erster Linie als Kommunalpolitiker, unabhängig von dem Parteiengerangel. Hier vor Ort müssen die Probleme gelöst werden. Es geht nicht an, daß wir hier die Ostertoridioten sind, die das Drogenproblem stellveretretend für die ganze Stadt abarbeiten müssen. Was nützen uns Konzepte wie die Dezentralisierung der Betreuungsangebote für Abhängige, wenn das nur auf dem Papier bleibt? Verbal ist das durchaus Konsenz. Aber der Senat reißt sich so kurz vor den Wahlen kein Bein aus, um das auch praktisch umzusetzen, weil das in allen Stadtteilen, wo Einrichtungen hinsollen, Ärger gibt. Meine Klage ist da ein kleiner Baustein, um etwas zu bewegen.
Fragen:
Annemarie Struß-von Poellnitz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen