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Die Faszination der zweiten Liga

Beim 0:0 zwischen den Stuttgarter Kickers und Schalke wiesen beide Eliteklassigkeit mehr ab als nach  ■ Aus Stuttgart Peter Unfried

Nanu? Die Autobahn Richtung Stuttgart voll hupernder Karren bepackt mit aufgeregten Gesichtern in blauweiß, der Rasthof Wunnenstein eine blauweiße Orgie und auf der Standspur qualmende Opels, um deren geöffnete Motorhauben blau-weiße Scharen verzweifelt tanzen. Hat sich die rote VfB-Welt der schwäbischen Lederkugelenthusiasten über Nacht in ein blauweißes Kickersmärchen verwandelt?

Irrtum. Die Aufgeregten kommen aus allen Teilen der Republik, aber besonders aus dem Ruhrgebiet. Sie wollen einem Mythos Tribut zollen: Schalke 04. Im Stuttgarter Neckarstadion sollte der legendäre Tabellenführer sich seinem Verfolger zum Shootout stellen, um in bedeutungsschwangerer Atmosphäre erstens Erstligatauglichkeit und zweitens die Faszination der zweiten Liga nachzuweisen.

Um die Spannung nicht allzusehr auf die Spitze zu treiben: Ja, beide sind bundesligatauglich. Allerdings nur, wenn man sie mit Gurkentruppen wie Uerdingen oder Nürnberg vergleicht. „Die Mannschaft wird überschätzt“, sagte Aleksandar Ristic, der Schalker Trainer, „Journalisten und andere machen aus den Spielern immer gleich, äh...“ Helden? Zauberer? Mythen? Jedenfalls etwas, daß sie nicht sind. „Wenn man das Spiel von heute betrachtet, welche Mannschaft ist dann bundesligareif?“ Ristic stellte die Frage selbst, eine Antwort erwartete er nicht.

Die besseren waren die Stuttgarter Kickers, die sich fünf „Hochkaräter“ erspielten, Schalke dagegen gerade mal eine Chance. Daß letztendlich doch beide Teams aufsteigen werden, gilt als ausgemacht, nicht zuletzt deshalb, weil Duisburgs Mittdreißiger im Moment ihre Midlifecrisis zu durchleiden haben. Der Unterschied ist nur die Art der Planung: Transfers sind für die Kickers nur in Regionen möglich, wo sie keine Verstärkung bedeuten. Eine Million, die ein halbwegs begabter Fußballer kosten würde, ist für die Kickers bereits utopisch.

Schalke dagegen kann es sich leisten, drei Millionen für einen Mihailovic auszugeben, der sein fehlendes Spielvermögen nicht mehr verbergen kann. „Der kriegte keinen Ball“, sagte Trainer Ristic. Aber offensichtlich wollte er auch keinen. Jedenfalls redete Ristic davon, im nächsten Jahr zweimal nach Stuttgart kommen zu wollen. Schalkes Boß Eichberg schmauchte Pfeife und träumte davon, mit dem Erlös seiner nächsten Krampfadernoperation Olaf Thon zurückzuholen. Und die Schalker Fans fuchtelten aufgeregt mit ihren Fahnen, hüpften deliriert und sangen inbrünstig: „Nie mehr zweite Liga!“ Wo die doch so faszinierend ist.

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