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Die Kunst braucht keine Chance

Ein Interview mit Corneliu Baba, dem berühmtesten rumänischen Maler  ■ Von Volker Handloik

Corneliu Baba gilt in Rumänien als der große alte Mann der Kunst. Unbeschadet hat er Ceausescus Diktatur überstanden. Einen Kompromiß hat er selten gemacht. Aber auch die Revolution des Dezember 1989 läßt ihn kalt. Als eine enthusiastische Menge in jenen Tagen sich vor seinem Haus in Bukarest versammelte, schickte er seine Haushälterin vor die Tür, die die Menge veranlaßte, nach Hause zu gehen: „Der Meister muß arbeiten.“ Baba ist nicht nur in seinen Werken ein Klassiker. Mehr als vierzehn Jahre hat er Rumäniens Öffentlichkeit gemieden. Er hatte sich mit Elena Ceausescu angelegt und Nicolae brüskiert. Er war Unperson und unantastbar. Die Rumänen verehren ihn grenzenlos. Doch Baba verehrt nur seine Malerei.

taz: Rumänien als Land einer lateinischen Kultur und Intelligenz ist in Mitteleuropa weitgehend unbekannt. Sehen Sie Ihre Kunst als typisch rumänische?

Corneliu Baba: Ich bin Rumäne. Und Rumänien ist das Thema meiner Malerei. Aber ich verstehe Ihre Frage anders. Sie haben recht, wenn Sie einen Unterschied zwischen der rumänischen Intelligenz und dem rumänischen Volk sehen wollen. Die rumänische Intelligenz ist kosmopolitisch. Sie spricht französisch und deutsch und ist mit Italien traditionell sehr verbunden. Das rumänische Volk ist das intelligenzfeindlichste Europas. Es haßt seine Intelligenz und hat sie auch vernichtet. Dennoch ist meine Malerei eine rumänische.

Sind Sie enttäuscht von der jetzigen Entwicklung?

Welche Entwicklung?

Ich meine die Revolution und die Zeit danach.

Was Sie Revolution nennen, ist der widerlichste coup d'état dieses Jahrhunderts. Nur in Rumänien kann so etwas passieren. Die alten Kader ziehen wieder ein. Die alten Sprüche gibt es wieder. Und die Securitate ist auch schon wieder zugelassen. Ein Land, das über Jahrzehnte hinweg seine Intelligenz behindert und geschunden hat, muß das nehmen, was übriggeblieben ist. Und das sind immer dieselben.

Ging es Ihnen zu Ceausescus Zeiten besser?

Besser nicht. Aber sehen Sie, in Rumänien sagte man, Ceausescu ist ein Schwein. Nun sagt man, er ist nur ein Schweinchen gewesen. Mir geht es besser. Aber eigentlich geht es mir wie allen Rumänen schlechter.

Sie haben Ihre Illusionen verloren?

Entschuldigen Sie. Ich bin alt genug, um keine Illusionen mehr haben zu dürfen. Als Mensch habe ich meine Illusionen verloren, als man Ceausescu erschossen hat. Als Künstler habe ich keine Illusionen, sondern einen Auftrag. Und er hat nichts mit Revolutionen zu schaffen.

Man sagt, Sie hätten sich erfolgreich durch alle Moden hindurchgeschlängelt.

Und darauf bin ich stolz. Ich bin nicht angehalten, alle Moden und Malweisen der vergangenen Jahrzehnte mitzumachen und nachzuvollziehen. Was ich schaffen wollte, war immer die große Malerei und das große Werk. Dazu kommt für mich nur der Realismus in Frage. Was man sonst so sagt, interessiert mich nicht. Ich bin kein Impulsgeber.

In Rumänien sieht man das anders.

Nein, nein. Ich war mehr als 35 Jahre Lehrer an einer Kunstschule. Doch schauen Sie sich die zeitgenössische rumänische Malerei an. Die Kunst von Velázquez, Goya und Tonitza findet anscheinend in mir ihren letzten Vertreter. Ich entstamme einem romanischen Europa. Die heutigen Generationen einem amerikanischen.

1973 bekamen Sie den Titel „Verdienter Universitätsprofessor Rumäniens“. Das war die letzte öffentliche Erwähnung Ihres Namens, wenn man einmal von Ihrer 78er- Ausstellung in Bukarest absieht. Begannen Sie um Ihre Kunst zu fürchten?

Irgendwann bat mich Ceausescu, ihn zu porträtieren. Ich konnte schlecht nein sagen. Also lud ich ihn in mein Atelier unter der Bedingung, daß er mir Modell sitzen müsse, solange ich will. Für Ceausescu war das natürlich ein Affront. Also habe ich ihn nicht gemalt. Von da an begann man mich auszuschweigen. Aber entschuldigen Sie, ich weiß nicht mehr genau, wann das war.

Aber Sie selber haben sich doch der rumänischen Öffentlichkeit verweigert.

Ich bin kein Agitator oder Aussteiger. Nein, ich habe mich nicht verweigert. Was glauben Sie, wer mich gehört hätte. Ceausescu und die westliche Presse.

Sehen Sie in einem neuen Rumänien eine Chance für eine unabhängige Kunst?

Die Kunst braucht keine Chance. Aber wenn Sie meinen, daß man der Kunst jetzt offener gegenüberstehen würde, kann man durchaus ja sagen. Meine Malerei — und das interessiert Sie sicher — ist Tradition und dramatische Geste. Wenn ich wirklich ein Idol sein sollte, hat meine Kunst nur die Chance, mich zu überleben. Vielleicht werde ich im nächsten Jahr eine große Ausstellung meines Werkes in Bukarest veranstalten. Das wäre auch eine Chance für die rumänische Kunst. Aber sie ist gering. Erst vor einigen Wochen hat man den alten Minister für Kultur vor meinem Haus zusammengeschlagen.

Aber Rumänien ist doch nicht nur das Land der prügelnden Bergarbeiter...

Da haben Sie recht. Doch nur in Rumänien gibt es prügelnde Bergarbeiter. Ich fürchte nicht um mich, sondern um dieses Land. Ceausescu steckt tiefer, als wir alle wahrhaben wollen. Europa ist nicht nur in Litauen bedroht. Wir Rumänen gelten den übrigen Europäern als Walachen und Balkan. Wir waren immer Spielball zwischen dem Westen und den Russen. Nun verläßt uns Europa erneut, und die Russen legen Hand auf uns. Eine lateinische Kultur verträgt keine slawische Orthodoxie. Die Folgen haben wir alle gesehen. Ich bin kein Antikommunist, aber der Kommunismus hat in Rumänien niemals eine Basis gehabt. Er war Import einer kleinen Emigrantengruppe. Europa sollte den Rumänen Ceausescu vergessen und sich an die Rumänen Tudor Arghezi und Panait Istrati erinnern.

Das Bild in Bukarests Straßen ist bedrückend. Sie leben hier in Ihrer Malerei und Ihrer Kultur wie in einem Kokon. Vielleicht will das heutige Rumänien etwas anderes als Tradition.

Die einzige Tradition, die die Rumänen kennen, ist die Kontinuität der Unterdrückung. Meine Kunst will nicht die formale Zerstörung der malerischen Tradition, sondern die Erneuerung ihrer inhaltlichen Aussage. Das heutige Rumänien hat seine traditionelle Form erhalten, doch seine traditionellen Inhalte verloren. Die Rumänen denken, wenn sie ihre Regierungen austauschen, haben sie mit der Tradition der Unterdrückung gebrochen. Dabei haben sie nur die Hülle konserviert und das Innere ausgetauscht.

Wenn ich Sie richtig verstehe, meinen Sie, Ihre Form der Tradition wäre für Rumänien eine Möglichkeit der Erneuerung.

So in etwa.

Rumänien als Monarchie?

Ich bein kein Antimonarchist, wie ich kein Antikommunist bin. König Michael wäre als Integrationsfigur annehmbar.

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