: Kenia läßt prominenten Häftling frei
Ex-Minister Rubia aus der Haft entlassen/ Reaktion auf Spranger-Besuch? ■ Aus Nairobi Bettina Gaus
Gemischte Reaktionen hat in Kenia die Freilassung des prominenten Systemkritikers Charles Rubia aus mehr als neunmonatiger politischer Haft hervorgerufen. Vor allem Kirchenführer des Landes meldeten sich zu Wort. Sie begrüßten zwar einerseits den überraschenden Schritt der Regierung, traten aber andererseits entschieden dafür ein, daß auch die anderen Gefangenen, die ohne Anklage im Gefängnis sitzen, entlassen werden.
Der ehemalige Kabinettsminister Rubia hatte sich ebenso wie sein Kollege Kenneth Matiba und Raila Odinga, der Sohn des früheren Vizepräsidenten Odinga Oginga, für die Einführung des Mehrparteiensystems im autoritär regierten Einparteienstaat Kenia eingesetzt — eine Haltung, die von der Regierung als „unafrikanisch“ und staatsfeindlich angeprangert wird. Auf dem Höhepunkt der öffentlichen Diskussion wurden die drei im Juli letzten Jahres ohne Anklage verhaftet. Wenig später brachen in Kenia Unruhen aus, die mehrere Tage andauerten und Dutzende von Toten forderten.
Charles Rubia kam am Freitag frei. Gerüchte, denen zufolge auch die Haftentlassung von Matiba und Odinga bevorstehen soll, haben sich noch nicht bestätigt. In zahlreichen Kirchen des Landes und in öffentlichen Statements betonten Priester, sie wollten weiterhin für die Freilassung der anderen politischen Gefangenen beten. Die deutlichste Kritik äußerte in diesem Zusammenhang der ehemalige Parlamentsabgeordnete Masindo Muliro: „Kenia kann sich nicht als demokratisch bezeichnen, solange Menschen mit fadenscheinigen Begründungen verhaftet werden“, erklärte er.
Die kenianische Regierung ist in jüngster Zeit mehrfach wegen der Menschenrechtssituation im Lande ins Kreuzfeuer ausländischer Kritik geraten. Tatsächlich laufen derzeit eine Reihe von politischen Verfahren im Lande: Gitobu Imanyara, Herausgeber einer juristischen Monatszeitschrift, wurde Anfang März nach einem regierungskritischen Kommentar verhaftet. Der ehemalige Parlamentsabgeordnete George Anyona steht gemeinsam mit zwei anderen Männern vor Gericht, weil er angeblich geplant haben soll, die Regierung zu stürzen. Einer der gegen ihn erhobenen Vorwürfe: Er soll öffentlich zwei Finger zum Victory- Zeichen hochgereckt haben — diese Geste ist in Kenia zum Symbol für den Kampf um eine zweite Partei geworden.
Die Regierung widersetzt sich konsequent jedem Versuch, pluralistische Strukturen in Kenia einzuführen. Vor einigen Wochen scheiterte der 79jährige Odinga Oginga, Veteran der Unabhängigkeitsbewegung und unter Kenias erstem Staatschef Jomo Kenyatta kurze Zeit Vizepräsident, mit einem Versuch, formal die Zulassung einer zweiten Partei zu beantragen.
Westliche Regierungen, die in Kenia lange ein Bollwerk gegen den Kommunismus sahen und das Land überproportional gut mit Wirtschaftshilfe bedienten, üben seit einiger Zeit wachsenden Druck auf Präsident Daniel Arap Moi aus, die Menschenrechte zu beachten. Das Europäische Parlament hat Mitte März in einer Entschließung seine Besorgnis über die Lage zum Ausdruck gebracht. Die USA entschlossen sich letztes Jahr sogar dazu, einen großen Teil der Militärhilfe für Kenia zu streichen, machten diesen Schritt aber dann „wegen der Haltung des Landes im Golfkrieg“ wieder rückgängig.
Auch der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Carl-Dieter Spranger, sprach letzte Woche bei einem Besuch in Nairobi die Menschenrechtssituation an. Gleichzeitig betonte er allerdings, für die Kürzung von Entwicklungshilfe sehe die Bundesregierung derzeit keinen Anlaß. Beobachter schließen nicht aus, daß Sprangers Gespräche mit führenden kenianischen Politikern die Entscheidung der Regierung, Rubia freizulassen, beeinflußt haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen