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Nord-Grüne setzen auf Rot-Grün

■ Landesparteitag in Schleswig-Holstein beschließt Paket zur Strukturreform der Partei/ Reformflügel setzt sich durch/ Hamburger GAL besteht beim Parteitag erste Kraftprobe/ Philosophin führt Liste an

Silberstedt (taz) — Die schleswig- holsteinischen Grünen gehen in zwei Wochen wohlpräpariert zum ersten Bundesparteitag auf heimatlichem Boden in Neumünster. Am Samstag verabschiedete ein Landesparteitag in Silberstedt bei Schleswig ein Beschlußpaket zur Strukturreform der grünen Partei, das in der realpolitischen Tendenz der Bundesgrünen liegt, und eine landespolitische Erklärung für die Landtagswahl im nächsten Frühjahr. Die Nord-Grünen, die sich im vorigen Jahr von ihren ÖkosozialistInnen abgenabelt hatten, streben eine rot-grüne Regierung in Kiel an.

Die Schleswig-HolsteinerInnen möchten die Rotation weitgehend abschaffen, das Verbot der Ämterhäufung mildern, den Bundesvorstand verkleinern und nur noch von zwei gleichberechtigten BundessprecherInnen repräsentiert werden.

Der Versuch einiger Mitglieder der „Grün-Alternativen Jugend“ gemeinsam mit den wenigen Angehörigen des Ditfurth-Flügels die „Abschaffung der Basisdemokratie“ zu verhindern, scheiterte.

In der mit großer Mehrheit beschlossenen landespolitischen Erklärung wird der Engholm-Regierung Versagen in wichtigen Politikfeldern vorgeworfen. So sei aus der angekündigten „Machtprobe“ der SPD-Landesregierung mit der Atomwirtschaft nichts geworden; die Verkehrs- und Umweltpolitik im Lande seien gegeneinander gerichtet und das sozialdemokratische Frauenministerium habe immer noch keine erkennbare Kompetenz. Nur eine verantwortliche Beteiligung der Grünen an der Landespolitik biete die Chance für ökologische und soziale Reformen. Die schleswig-holsteinischen Grünen wollen bereits im Juni ihre LandtagskandidatInnen für die Wahlen nominieren, die im März oder April 1992 fällig sind. Mit dem langen Wahlkampf soll das neue grüne Image in die Köpfe der Menschen zwischen den Deichen gehämmert werden. Bislang gelten die Nord-Grünen immer noch als ewige VerliererInnen, schließlich haben sie bereits viermal erfolglos versucht, in den Kieler Landtag einzuziehen. Seit der Abspaltung der ÖkosozialistInnen gibt es im Norden zumindest keine ideologische Strömungskämpfe mehr. Jürgen Oetting

Chancen der GAL gestiegen

Hamburg (taz) — Eine Philosophin führt die „neue“ Grün-Alternative Liste Hamburgs (GAL) in den Kampf um die Bürgerschaftswahl am 2. Juni. Simone Dietz (31), Spezialistin für die „Philosophie der politischen Aufklärung“, wurde am Wochenende mit großer Mehrheit auf den ersten Listenplatz gewählt. Ihre Wahl soll ein Symbol setzen: Simone Dietz hatte den Wandel der GAL von einer dogmatischen Kaderpartei zu einer offenen reformpolitischen Großstadtpartei entscheidend mitgeprägt, war als grüne Nachwuchspolitikerin jedoch nicht in die Spaltungen und Flügelkämpfe der Vergangenheit verwickelt.

Nachdem die GAL vor einer Woche den Wiedereintritt der realpolitischen Abspaltung „Grünes Forum“ freudig begrüßt hatte, kam es an diesem Wochenende zum ersten und entscheidenden Härtetest. Bei der Aufstellung der Bürgerschaftsliste mußte sich zeigen, ob die neue Einheit auch trägt. Der Parteitag gab sich bei prächtigem Frühlingswetter — junges Grün allerorten — große Mühe und hatte schließlich Erfolg: Mit Simone Dietz, Michael Pollmann (GAL-Erneuerer), Anna Bruns (GAL), Martin Schmidt (ehemals Grünes Forum) und Krista Sager (für den Frauenratschlag) auf den ersten sieben sicheren Listenplätzen (bei knappem Überspringen der Fünfprozenthürde) hat die GAL nach der Auffassung politischer Beobachter eine außerordentlich kompetente und versöhnliche Parlamentsgang zusammenbekommen, die auch das Fegefeuer möglicher rot-grüner Koalitionsgespräche überstehen würde.

Damit sind die Chancen der Grünen, erneut ins Hamburger Stadtparlament einzuziehen, deutlich gestiegen. Gleichzeitig eröffnet sich zum ersten Mal die Möglichkeit einer rot- grünen Koalition. Die FDP, derzeit noch Koalitionspartner der SPD, hat denn auch den Kampf gegen Rot- Grün neu in ihr Wahlkampfrepertoire aufgenommen. Florian Marten

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