: Von der Wochenendzuflucht zum Öko-Musterdorf
Der verschlafenen Weiler Babe will sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen/ Windräder und aussterbende Haustiere sollen helfen/ Gutshof soll Kommunikationszentrum werden/ Sieben ABM-Stellen machen den Anfang ■ Von Hermann-Josef Tenhagen
Babe, Kreis Kyritz (taz) - Einst Exil für genervte Stadtbewohner und Bleibe für zurückgebliebene Alte und Schwache, gehen seit einem halben Jahr im brandenburgischen Weiler Babe die Uhren wieder vorwärts. Babe, im Landkreis Kyritz, das sind 50 MärkeInnen sowie die Reste eines Dorfes rund um einen alten Gutshof. Babe soll ein ökologisches Musterdorf werden, Vorbild dafür, wie auch auf dem flachen Land Arbeitsplätze geschaffen werden können.
Die treibende Kraft des Projekts sind die Wallrodts. Frank und Ute Wallrodt sind Stadtflüchtlinge aus Ost-Berlin. Sie zogen vor zehn Jahren endgültig aufs Land. Sie wollen den langsamen Verfall des verschlafenen Weilers stoppen, die weitere Verseuchung der Natur um ihr Dorf verhindern. Wegen gefährlich überhöhter Nitratwerte im Grundwasser benützen die Wallrodts seit Jahren Mineralwasser für sich und ihre Kinder. „Im Prinzip hat hier keiner mehr Arbeit“, beschreibt Frank Wallrodt die Situation im Dorf. Die ehemalige LPG hat ihre Leute nicht halten können und sonst tut sich in dem märkischen Landkreis nicht gerade viel. Das wird sich ab heute ändern, denn die ersten sieben Babener haben nun wieder Arbeit. ABM-Stellen, die der Grundstein für die ökologische Dorferneuerung sein sollen.
In den siebziger Jahren war die zunächst eigenständige LPG in Babe aufgelöst worden. Ein knappes Jahrzehnt später gingen die letzten Kühe mit ihren Melkern zur zentralen LPG nach Sieversdorf über. Filmabende, der Tanzsaal und der „Konsum“ - alles verschwand aus dem Dorf, wie Ute Wallrodt erzählt. Dreimal in der Woche kam der Linienbus. Babe war ein sterbendes Dorf.
Heute ist das alles anders. Die Wallrodts und ihre Mitstreiter haben große Pläne. Sie haben einen Verein gegründet - „Lebensart Babe e.V.“. Das alte Gutshaus soll zu einem Kultur- und Kommunikationszentrum für Kinderfreizeiten, Kultur- und Tagungsbetrieb umgebaut werden. Die Gemeinde hat das Gebäude via Landkreis von der Treuhand zugesprochen bekommen und Bürgermeister Otto hat es schon an den Verein weitergegeben. Die Zusammenarbeit mit der politischen Gemeinde funktioniert gut - Ute Wallrodt sitzt auch im Gemeinderat. Im nächsten Schritt soll in die Produktion von Windrädern eingestiegen werden. Unterstützung aus dem Westen und entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen sind eingeplant. Die Babener spekulieren dabei auch auf einen angeblichen 20-Millionen-Topf für regenerative Energiequellen im Brandenburger Umweltministerium. Ein Windmeßgerät ist schon gestiftet und soll in dieser Woche aufgestellt werden. Mittel für die Fortbildung will „Lebensart Babe“ in Kürze beantragen. Für eine biologische Modellkläranlage mit regenerativer Energieversorgung bestehen Pläne. Der Ingenieur Hermann Hummer von der westberliner Fortbildungsgesellschaft Atlantis leitet das Modellprojekt. Die Anlage muß allerdings von der Kommune beantragt werden.
Den letzten Kick soll dem künftigen Musterdorf ein „tierischer“ Naturschutzplan geben. In Babe liegen wie überall in Brandenburg große ehemalige LPG-Flächen still. Solche Grenzertragsflächen wollen die landwirtschaftlichen Großbetriebe meist gar nicht mehr haben. Nach Angaben von Wallrodt und Bürgermeister Otto hat auch die bisherige Nutzerin, die umgewandelte LPG in Sieversdorf bei der Treuhand auf die Babener Flächen verzichtet.
Dieses mehrere Hektar große Gelände möchte der Verein gerne renaturieren. Für die spätere Pflege des Geländes hat Piet Oehmichen von der Uni Kassel ein bemerkenswertes Modell entwickelt: „Naturschutz mit alten Nutztierrassen.“ Oehmichen will aussterbende Haustierrassen, die besonders genügsam und an die heimischen Bedingungen angepaßt sind, dort ansiedeln. Er favorisiert rauhwollige Pommersche Landschafe - für feuchte Weiden und Wiesen die Moorschnucke. Sie sollen für die extensive Bewirtschaftung der Brache sorgen und als Vorzeigeprojekt zusätzliche Anziehungskraft bringen. Einen kleinen Fördertopf für gefährdete Nutztierrassen gebe es inzwischen auch in Bonn, so Oehmichen.
Im Landkreis und im Potsdamer Umweltministerium haben die Babener Verbündete gewonnen. Gerhard Radt, Leiter des Amtes für Kreisentwicklung und Wirtschaft im Landkreis Kyritz, steht voll hinter den Ideen der Babener. „Wir meinen, daß es angebracht wäre, hier ein Modellprojekt zu schaffen, um auch mal Alternativen aufzuzeigen.“ Und auch Heike Ellner aus der Projektgruppe des brandenburgischen Umweltministeriums signalisierte bei einem Ortstermin Unterstützung. Was noch fehlt, damit das Projekt abheben kann, ist eine Entscheidung der Treuhand. Sie müßte die von der LPG liegengelassenen Brachflächen für das Modellprojekt am besten zu einem symbolischen Preis zur Verfügung stellen, fordert Radt. Zwei arbeitslose Schäfer für das Projekt haben die Babener schon zur Hand.
Für die Altlasten auf dem Gelände, vor allem den Asbestbauschutt von alten LPG-Hallen und Resten von Plastikplanen sollte nach Radts Meinung eigentlich die LPG- Nachfolgerin aufkommen. Man könne ja auf die ABM-Kräfte zurückgreifen. Mit dem Teil der Beseitigung, der ungefährlich möglich ist, würden die Babener am liebsten sofort beginnen.
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