: Das »Domizil« bleibt auch weiterhin besetzt
■ Data-Domizil zerstörte Fenster und Öfen, obwohl der Gesellschaft das besetzte Haus noch nicht gehört
Mitte. Rot-schwarze Transparente hängen in der Höhe des vierten Stocks von der Dachrinne herab, auf dem Dach des Hauses in der Alten Schönhauser Straße 43/44 tummeln sich Besetzer. Sie waren am Sonntag in das Hinterhaus eingezogen, weil der zukünftige Besitzer, das Immobilienunternehmen Data-Domizil, im Erdgeschoß und im ersten Stock begonnen hatte, Fensterkreuze herauszuschlagen, Öfen zu zertrümmern und elektrische Leitung herauszureißen. Mit der Besetzung, sagen die 20 überwiegend jungen Leute, soll weitere Zerstörung verhindert werden. Der Geschäftsführer der Gesellschaft aus dem Westteil der Stadt, Michael Kluge, soll sich vom jetzigen Verwalter auch eine Anzeige eingefangen haben, berichteten gestern die Besetzer. Denn der Besitzerwechsel sei noch nicht ins Grundbuch eingetragen. Deshalb verwaltet die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (KBM) das Haus weiterhin. Und die KBM ist offenbar gegen eine solche Art der Sanierung. Sie hat mit Data-Domizil nicht zum ersten Mal Ärger. Die Verwaltung mußte die Mieter darauf hinweisen, daß Aufforderungen der Data-Domizil, die Miete ab sofort auf deren Geschäftskonto zu überweisen, gegenstandslos seien — Data-Domizil sei erst mit dem Eintrag ins Grundbuch rechtmäßiger Besitzer des Hauses.
Die Mieter kennen Domizil-Chef Kluge bereits. Sabine Pohrmann aus dem ersten Stock kann ihre Hoffnungen auf den neuen Besitzer nicht verhehlen. Die Kommunale Wohnungsverwaltung habe früher nie etwas gemacht. Die Sanitäranlagen seien »runter«, in den Wänden gebe es lange Risse. Kluge habe versprochen, alles zu sanieren. Die Miete würde dafür natürlich teurer werden. »Wenn wir dann ausziehen wollten«, so Pohrmann, würde er möglicherweise für eine Ersatzwohnung sorgen. Mieter Dirk Jahnke bestätigt diese Versprechen und erzählt, daß Kluge ihm bei seinem Auszug die Kosten für den Einbau einer Gasetagenheizung erstatten wolle.
Dem Ehepaar Marx, das im Parterre des Vorderhauses eine Holzhandlung führt, hat sich Kluge ebenfalls vorgestellt. Der neue Besitzer schlug vor, aus dem Holzgeschäft lieber eine Kneipe, Pizzeria oder Spielhalle zu machen. Dann könnte das Ehepaar die zu erwartende Gewerbemiete von 30 bis 45 Mark für den Quadratmeter bezahlen und müßte nicht raus, berichtet Uta Marx der taz. Zur Zeit bezahlen sie 2,20 Mark und sind überrascht über die Vorstellungen des neuen Besitzers.
Von der Besetzung des Hinterhauses ist sie dennoch nicht sonderlich begeistert. Die acht Wohnungen würden seit zehn Jahren leerstehen, weil das Haus abgerissen werden sollte. Ihnen würden die Besetzer nicht mehr helfen können, aber vielleicht sei das eine Warnung für andere Häuser und Bürger, hofft Marx. Eine Chance für geringe Mieten rechnet sie sich nur aus, wenn Data- Domizil für die Sanierung Senatszuschüsse für den sozialen Wohnungsbau in Anspruch nehme.
Auf der letzten Mieterversammlung habe ein Anwalt eine Menge Tips dafür gegeben, wie man sich gegen ungerechtfertigte Maßnahmen des neuen Besitzers wehren könne. Er hat auch geraten, nicht auszuziehen. Dirk Wildt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen