: Bezirksamt »besetzt« leere Wohnungen
■ Erstmals vermietet ein Bezirksamt gegen den Willen des Hausbesitzers leerstehenden Wohnraum/ Eigentümer muß Instandsetzungskosten zahlen
Wilmersdorf. Zum ersten Mal hat ein Bezirksamt von seinem Recht Gebrauch gemacht, leerstehende Wohnungen gegen den Willen des Eigentümers zu vermieten. Uwe Szelag, Baustadtrat in Wilmersdorf, übergab gestern einigen Familien, die beim Amt lange als Wohnungssuchende gemeldet waren, die Schlüssel für fünf Wohnungen in der Konstanzer Straße 62. Die Eigentümerin hatte die Wohnungen sechs Jahre lang leerstehen lassen.
Diese sogenannte Zwangseinweisung ermöglicht das Zweckentfremdungs-Beseitigungsgesetz, daß im April vergangenen Jahres dahingehend verändert worden war, daß Bezirksämter leerstehenden Wohnraum ihrer ursprünglichen Bestimmung zuführen dürfen. Trotz des Gesetzes habe es knapp ein Jahr gedauert, die Wohnungen zu vermieten, erklärte der AL-Baustadtrat der taz, weil Fristen gewahrt werden müßten und Hausbesitzer immer wieder herumtricksen würden. In diesem Fall habe die Eigentümerin das Haus zwischendurch ihrer Schwester verkauft. Durch den Eigentümerwechsel habe das Amt ein neues Ermittlungsverfahren eröffnen müssen.
Das Bezirksamt hat die Wohnungen, die zwischen 90 und 130 Quadratmeter groß sind, in bewohnbaren Zustand gebracht und dafür pro Wohnung zwischen 20.000 bis 60.000 Mark ausgeben müssen. Weil die Herrichtung von zwei Wohnungen jeweils an die 200.000 Mark gekostet hätte, wurden nur fünf der sieben Wohnungen instand gesetzt. Das Bezirksamt hat die Miete nach dem Berliner Mietenspiegel und der Altbaumietenverordnung berechnet. Danach kostet ein Quadratmeter in dem Haus durchschnittlich 5,62 Mark. Die Mieter überweisen das Geld auf das Konto der Eigentümerin, erklärte Szelag. Das Geld des Bezirksamtes, das für die Instandsetzung aufgebracht werden mußte, werde von der Eigentümerin zurückverlangt. Sie müsse die Kosten erstatten, weil Hausbesitzer verpflichtet seien, Wohnungen in vermietbarem Zustand zu halten.
Szelag kündigte an, daß in den kommenden vier Wochen die Wohnungen von drei weiteren Häusern »besetzt« werden sollen. Zum Teil gebe es in diesen Häusern seit fünf Jahren Leerstand — allein in Wilmersdorf seien 400 Wohnungen ungenutzt. Der Baustadtrat erhofft sich von der heutigen Zwangseinweisung ein Signal für andere Bezirke. In Berlin gibt es zur Zeit 150.000 Wohnungssuchende. Dirk Wildt
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