„Wir wollen Produktionen haben“

■ Beschluß zur Bildung einer Nordostdeutschen Mehrländeranstalt ruft geteiltes Echo hervor

Der NDR-Intendant Jobst Plog lag mit seiner ersten Einschätzung gar nicht so falsch. Denn wegen der Vorentscheidung für die Bildung eines Nordostdeutschen Rundfunks (NOR), bestehend aus den Ländern Berlin, Brandenburg und Vorpommern (wir berichteten) bahnt sich im nördlichsten der fünf neuen Bundesländer jetzt ein veritabler Krach zwischen den Koalitionspartnern CDU und FDP an. In einer ersten Stellungnahme hatte der verprellte Brautwerber Plog, der selbst lange um Mecklenburg-Vorpommern geworben hatte, darauf hingewiesen, daß es sich lediglich um eine Einigung der Chefs der Staatskanzleien, also um eine politische Vorentscheidung handele die noch der Zustimmung der Landesregierungen und der Landesparlamente bedürfe.

Der FDP-Fraktionschef im mecklenburgischen Landtag, Walter Goldbeck, sprach so auch von einer „selbstherrlichen Vorgehensweise der Staatskanzlisten“, die die Wünsche der Menschen in Mecklenburg- Vorpommern ignoriere. Ministerpräsident Gomolka muß nun seinen Parlamentariern die Vorzüge des ausgehandelten Modells erklären, obwohl eine enge landsmannschaftliche Verbundenheit mit den anderen norddeutschen Ländern existiert, die sich im NDR zusammengeschlossen haben. Intendant Plog hat vorsorglich sein Angebot zur Bildung einer Vierländeranstalt erneuert

Auch in Brandenburg war der Widerstand gegenüber einer gemeinsamen Rundfunkanstalt zunächst groß. Noch Anfang vergangener Woche hatte der SPD-Fraktionschef Wolfgang Birthler in Potsdam angekündigt, er werde die Staatskanzlei mit einem solchen Entwurf wieder nach Hause schicken. In einem Gespräch mit der taz erklärte er seinen Gesinnungswandel damit, daß es sich bei den vorgelegten Plänen erst um einen Entwurf handele, über den noch nicht entschieden worden sei. Für die weiteren Verhandlungen hat seine Fraktion bereits Forderungen aufgestellt. Zum Beispiel ist die SPD nicht damit einverstanden, daß nach Potsdam nur die Fernsehdirektion kommt. „Damit können wir nichts anfangen, sondern wir wollen Produktionen hier haben“, sagte Birthler. Ein weiteres Problem sei, daß alle SFB-Mitarbeiter übernommen, die Ost-Journalisten jedoch abgewickelt würden. Mit dem ausgehandelten Personalschlüssel könne die SPD zwar leben, „aber wir wollen ein Mitspracherecht bei Personalentscheidungen“.

Scharf kritisierte auch der Chef der brandenburgischen FDP-Landtagsfraktion, Rainer Siebert, das vorgelegte Eckwertepapier zur Bildung einer Dreiländeranstalt. Gegenüber der 'Berliner Zeitung‘ sagte er: „Wie von Lojewski jetzt das Verhandlungsergebnis interpretiert, bestätigt frühere Erfahrungen, daß er gewiß nicht der zukünftige Intendant einer derartigen Mehrländeranstalt sein kann.“

Auch der Direktor des Berliner Rundfunks, Jürgen Itzfeld, ist über die NOR-Pläne empört: „Es kann ja wohl nicht sein, daß die zusätzlichen Gebühreneinnahmen aus dem Ostteil der Stadt dazu verwendet werden sollen, die Arbeitsplätze im Westteil zu erhalten.“ Er erinnerte an eine erst kürzlich veröffentlichte ARD-Umfrage, nach der die Einschaltquoten von SFB 1, 2, und 3 noch hinter denen des Berliner Rundfunks liegen. „Ein Beleg dafür, daß der SFB nicht an die hiesigen Hörer herankommt.“ Wie es danach zu rechtfertigen sei, daß der SFB in seinem jetzigen Bestand komplett erhalten werden soll, während die Interessen eines Drittels von Berlin außer acht gelassen werden, bleibe das Geheimnis der Staatskanzleichefs, so Itzfeld.

Tatsächlich soll es beim SFB, der aufgelöst und im NOR aufgehen soll, keine Entlassungen geben. „Alle Arbeitsplätze sind gesichert“, sagte SFB-Intendant Günther von Lojewski. Der notwendige Personalabbau soll über einen Zweisprung von Einstellungsstopp und Fluktuation erreicht werden. Dementsprechend ist auch in West-Berlin die Reaktion auf die Pläne durchaus positiv.

Erfreut war ebenfalls Bayerns Ministerpräsident Max Streibl, er nannte die Einigung „wirtschaftlich sinnvoll“ und schlug gleich ein weiteres rundfunkpolitisches Thema für die Zukunft vor: „Nun muß man auch in den alten Ländern zu vernünftigen Lösungen kommen.“ Der historische Zeitpunkt für diesen Schritt scheint allerdings verpaßt. K.S.