: Stimmungsartikel-betr.: "Hamburgs Grüne sind wieder eins" und "Der Norden wird rot-grün" (Kommentar), taz vom 9.4.91
betr.: „Hamburgs Grüne sind wieder eins“ und „Der Norden wird rot-grün“ (Kommentar),
taz vom 9.4.91
Wir hier im Norden sind es bereits gewohnt, daß taz-Redakteur Florian Marten immer dann seine faktenverdrehenden Stimmungsartikel schreibt, wenn er glaubt „rot-grün“ herbeiflehen zu können. Für die bundesweit an den Hamburger Vorgängen interessierten Menschen: Die GAL hat beschlossen, der SPD automatisch bei rechnerischen rot-grünen Mehrheiten ein Koalitionsangebot zu machen. Den GAL-Mitgliedern wurde vorgelogen, daß dabei die „radikalen Inhalte der GAL“ erhalten bleiben würden und „tiefgreifende Veränderungen in der Hamburger Politik aushandelbar seien“. Dies ist Illusion:
1.Die Wünsche der GAL interessieren die SPD einen Scheiß. Die Hamburger SPD hat zum Beispiel in der Bürgerschaft ein neues Polizeigesetz verabschiedet, welches die Bespitzelung, Observation und Ermittlung gegen jede/n BürgerIn legalisiert. Das rechteste und schlimmste Polizeigesetz in der BRD.
2.Durch die Wiedervereinigung mit dem „Grünen Forum“ erfährt die GAL einen Rechtsruck sondergleichen. Jedes frühere Essential („die radikalen Inhalte“) von GAL-Politik wurde und wird vom Grüfo bekämpft und negiert: Das Grüne Forum hat hier öffentlich mehrfach propagiert, daß der Golfkrieg gerechtfertigt gewesen sei. Das Grüne Forum ist für Müllverbrennung und gegen die ersatzlose Streichung des Paragraphen 218. In der GAL-Wahlkampfkommission wurde das Plakat „Hafenstraße bleibt“ von Grüfo-Vertretern als unhaltbar kritisiert.
Der „Vordenker“ des Grünen Forums, Martin Schmidt, hat im Entwurf zum Wahlprogramm des Grüfo in rechtsradikaler Manier gewarnt, daß „Hamburg ein vorzügliches Ziel für Einwanderer aus dem Osten werden“ wird: „Juden, Zigeuner, deutsche Ossis und Russen aller Art werden uns auf den Straßen begegnen.“ In dem Ton geht es weiter: Die Sozial- und Ökologiepolitik müsse in Hamburg nach dem Modell von New York betrieben werden. Nach Ostdeutschland müßten junge Menschen aus dem Westen geschickt werden, um es zu reformieren, und so weiter.
Beim Grünen Forum findet sich das gesamte Gedankengut der „Neuen Rechten“, die sich ja auch in Frankreich teilweise unter dem Etikett „grün“ versteckt. Die „Neue Rechte“ ist der wertkonservativste, aber modernistische Entwicklungszweig der deutschen politischen Landschaft, der jetzt mehr und mehr, weil „fortschrittlich“ und besitzstandswahrend, Boden gewinnen wird. Ein Nazi-Vergleich wäre da völlig fehl am Platz, die „Neuen Rechten“ sind ideologisch viel gefährlicher. [...] Frank Frind, Hamburg
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