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„Die Russen haben die Inseln nämlich entdeckt“

Michael Gorbatschows Japanreise fügt sich logisch in die Reihe seiner Verbeugungen vor den Rechten in der sowjetischen Innenpolitik  ■ Aus Moskau Barbara Kerneck

Als „zweiter Stützpfeiler der überlebten Weltordnung von Jalta“ kämen die Kurilen gleich nach der Berliner Mauer, erklärte der Historiker Jurij Affanassjew nach dem Mauerfall im November 1989 und handelte sich damit in der UdSSR eine ganze Reihe von Feinden ein. Sein Mehrstufenplan zur Übergabe der nördlichen Kurilen wurde von den meisten SowjetbürgerInnen als Zumutung abgelehnt. So wurde der Plan auch innerhalb der demokratischen Opposition kaum diskutiert. Dabei klingen die affanassjewschen Vorschläge ganz brauchbar: Sie sehen unter anderem ein zeitweiliges UNO-Protektorat vor, das von einer Art Zweimächtestatus abgelöst werden soll.

Derartige Überlegungen berühren aber nicht nur die Frage des Territoriums der UdSSR, sondern auch die neue Feste Boris Jelzins — das souveräne Rußland. So betonte der russische Außenminister Kosyrew, beim Gorbatschow-Besuch in Tokio mit von der Partie, zwischen den Regierungen Rußlands und der UdSSR bestehe in der Kurilenfrage keinerlei Dissens. Obwohl die Vorstellung eines Lebens auf den Kurilen die meisten Sowjetbürger nicht weniger abschreckt als der Gedanke an ein Häuschen am Nordpol, wird Gorbatschow sich wohl in Tokio an das russische Sprichwort halten müssen, das ihm ein Kurilenbewohner brieflich mit auf den Weg gab: „Lieber siebenmal messen als einmal abschneiden!“

In einer verwickelten Erklärung ließ das sowjetische Außenministerium kürzlich zart durchblicken, daß es nämlich Russen gewesen seien, die die Inseln des Anstoßes entdeckt hätten. Wen kann es da noch wundern, daß sich die heutigen Kurilen- Eingeborenen, fast ausschließlich Militärs, beim zurückliegenden Referendum fast zu 99 Prozent im Sinne Gorbatschows und für eine Zugehörigkeit zur Sowjetunion ausgesprochen haben.

Einen starken UdSSR-Präsidenten und Ruhe und Ordnung im Lande wünschen sich allerdings auch die Japaner. Darauf setzt der konservative Parteiapparat. Wohl wissend, daß die Sowjetunion sich ohne Auslandshilfe nicht aus dem Sumpf ziehen kann, hält man in diesen Kreisen nach einem Wirtschaftspartner Ausschau, der sich in Fragen innerer Demokratisierung der UdSSR weniger zimperlich zeigt als der durch die Panzer in Vilnius wachgerüttelte Westen. Allen, die gerne im Prinzip alles beim alten lassen und nur noch ein bißchen besser planen würden, erscheint das traditionalistische Japan auch als willkommenes Gegengewicht zu China mit seiner periodisch aufflammenden ökonomischen Experimentierfreudigkeit. So fügt sich Gorbatschows Japanreise logisch in die Reihe seiner Verbeugungen vor den Rechten in der Innenpolitik. Ein südostasiatisches Modell zur Entwicklung der Sowjetunion ist ganz im Sinne der Kooperative „Schöpferisches Experimentierzentrum“, die sich der militärisch-industrielle Komplex kürzlich als „think- tank“ in einer ganzen Gasse der Moskauer Altstadt geschaffen hat.

Der fast unversöhnliche Gegensatz zwischen Wurstigkeit und Ruppigkeit auf russischer, und Disziplin und Höflichkeit auf japanischer Seite, wird angesichts solcher Hoffnungen ebenso vernachlässigt wie der Umstand, daß Japan seine Armee zugunsten vielversprechenderer Investitionsobjekte geopfert hat.

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