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„Zweischneidiges Schwert“

Die USA wollen die Gewährung von Handelsvergünstigungen für China mit der Einhaltung der Menschenrechte verknüpfen  ■ Aus Peking Boris Gregor

In den chinesisch-amerikanischen Beziehungen stehen spannende Zeiten bevor. Peking, das nach dem Tiananmen-Massaker sein internationales Image weiter aufpolieren will, muß sich von den Amerikanern in nächster Zukunft harte Worte gefallen lassen. In wenigen Tagen wird der stellvertretende amerikanische Außenminister Reginald Bartholomew in Peking erwartet, der im US- State Department für internationale Sicherheitsfragen verantwortlich ist. Bartholomew will vor allem die chinesischen Pläne ansprechen, Atomkraftwerke in den Iran, nach Pakistan und Algerien zu exportieren.

Nach Ansicht Washingtons versetzt China diese Länder damit in die Lage, Atomwaffen zu produzieren und verstößt gegen das weltweite Verbot, Nuklearwaffen oder entsprechende Ausrüstungen in Spannungsgebiete zu liefern. Der Sprecher des Washingtoner Außenministeriums: „Wir haben den Chinesen bereits mehrfach unsere Sorge über die Weiterverbreitung ausgedrückt. Wir erwarten, daß China seine Versprechen... hält.“

Außerdem wollen die Amerikaner erneut die Einhaltung der Menschenrechte anmahnen und der KP die mittlerweile zweite Liste von Dissidenten und kritischen Kirchenleuten präsentieren, die, so Washington, zu Unrecht in Haft sind.

Diese Aktivitäten kommen in einer für die Pekinger kritischen Zeit. Denn im amerikanischen Kongreß steht im Sommer die Entscheidung an, wem auf ein weiteres Jahr Handelspräferenzen gewährt werden sollen. Bereits jetzt haben sich Senatoren und Abgeordnete dafür ausgesprochen, Peking wegen der Verletzung der Menschenrechte diese Vorteile zu entziehen. Weitere Begründung: Das Handelsdefizit gegenüber den Chinesen sei mit rund 37 Milliarden US-Dollar (seit 1972) zu groß. Insgesamt betrug das Handelsvolumen mit den USA 1990 rund 12 Milliarden Dollar. Außerdem verstoße Peking gegen internationale Wettbewerbsregeln, weil es hemmungslos US-Waren abkupfere. Die Sonderrechte bedeuten zumeist niedrige Zollgebühren bei der Einfuhr chinesischer Waren. Sollten die Ermäßigungen wegfallen, wären zahlreiche Produkte 'Made in China‘ in Zukunft nicht mehr konkurrenzfähig. Mittlerweile haben hohe chinesische Politiker, darunter der chinesiche Premier Li Peng, für den Erhalt des 'Most Favoroured Nation Status‘ (MFN) in einer in der KP-Presse ausführlich wiedergegebenen Kampagne geworben, die gleichzeitig zeigt, wie nervös die Führung in dieser Frage ist. In die Argumentation mischen sich drohende und werbende Töne. Tendenz: Wenn die Amerikaner den MFN-Status streichen, schneiden sie sich ins eigene Fleisch. Einen solchen Schlag könne Peking trotz allem überwinden. Die Frage der Verletzung von Wettbewerbsregeln könne man, heißt es in einem Zeitungskommentar, doch in „geschäftsmäßigen Verhandlungen regeln“, die Frage des Außenhandelsdefizits sei eine Interpretationssache. Die englischsprachige 'China Daily‘, gröber: „Die US-Kongreßleute sollten nicht vergessen, daß ein Streichen des MFN-Status definitiv ein Schlag gegen die Konkurrenzfähigkeit amerikanischer Unternehmen in China bedeuten würde. Aber da gibt es ganz sicher andere Länder, die gerne die Gelegenheit nutzen würden, ihren Anteil am großen und wachsenden China-Markt zu vergrößern.“ Bislang sind die USA mit knapp 4,4 Milliarden US-Dollar größter ausländischer Investor im Reich der Mitte. Derzeit arbeiten mehr als 1.100 Joint-Venture-Betriebe. Zudem appelliert die chinesische Führung an die Solidarität der Kapitalisten: Würde der Export nach Amerika eingeschränkt, würde die Wirtschaft Hongkongs starke Verluste erleiden. Hongkonger Unternehmer sind durch kapitalkräftige Beteiligungen auf dem Festland mittelbar am chinesischen Außenhandel beteiligt, außerdem profitiert der Hafen am Warenumschlag in die USA. Der für die Förderung des chinesischen Außenhandels zuständige Funktionär Zheng Hongye, an die Adresse Washingtons gerichtet: „Wenn man ein zweischneidiges Schwert schwingt, kann man die Interessen von mehr als einer Seite verletzen.“

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