: Hilfe für untergetauchte GIs
US-AnwältInnen verteidigen kriegsunwillige US-Soldaten/ Erst zwei der 50 Deserteure angeklagt/ Bei den Prozessen Hoffnung auf den mildernden Einfluß der deutschen Friedensbewegung ■ Aus Bremen Dirk Asendorpf
Von den in Deutschland stationierten US-SoldatInnen haben sich rund 50 dem Golfkrieg verweigert. Die meisten verstecken sich noch immer vor der Military Police. Um diese SoldatInnen bei ihren Anträgen auf Kriegsdienstverweigerung und den drohenden Prozessen wegen Befehlsverweigerung und Desertion zu unterstützen, sind im März drei AnwältInnen aus den USA nach Deutschland gekommen.
Eine von ihnen ist Clare Overland aus Newburgh im Staat New York. „Irgendwann muß jeder, der die Army unerlaubt verlassen hat, wieder zurück“, sagt die Anwältin, „jedenfalls, wenn er nicht für den Rest seines Lebens Flüchtling bleiben will.“ Schließlich gibt es kein Land, das desertierten US-Soldaten Asyl anbietet. Allerdings müßten sich Kriegsdienstverweigerer angesichts der „triumphalen Siegesstimmung“, die sich „wie ein Gelbfieber“ in den USA ausgebreitet habe, sehr gründlich auf die Rückkehr unter militärische Kontrolle vorbereiten. „90 Prozent aller Verfahren vor der US-Militärjustiz enden mit einem Schuldspruch“, sagt die Anwältin. Und die Verteidigung der Golfkriegs-Verweigerer ist in Deutschland besonders schwierig. Denn vor den Militärgerichten dürfen die Deserteure nur von US-Anwälten vertreten werden. Doch die wenigen, die es von ihnen in Deutschland gibt, „werden oft teilweise vom Pentagon bezahlt und verhalten sich ensprechend“, sagt Clare Overland. Ihr Deutschland- Aufenthalt wird deshalb von Friedensgruppen finanziert. Das Frankfurter „Military Counseling Network“, eine Gruppe, die US-SoldatInnen bei der Kriegsdienstverweigerung hilft, stellte ihr einen Arbeitsplatz zur Verfügung.
Erst bei zwei von 50 Fällen unerlaubtem Fernbleibens während des Golfkrieges gibt es bisher eine Anklage. Die ist dafür um so härter: Beiden Soldaten wird nicht nur „AWOL“ (Absent without Leave/ unerlaubtes Fernbleiben), sondern direkt „Desertion“ vorgeworfen, auf die bis zu sieben Jahre Knast steht. Und das, obwohl sich einer der beiden flüchtigen Soldaten schon nach zwei Tagen wieder bei seiner Einheit zurückgemeldet hatte. „Nicht einmal im Vietnamkrieg hat es solche drastischen Anklagen gegeben“, sagt Clare Overland.
Sie hofft jetzt auf die Wirkung der deutlich weniger kriegsbegeisterten Stimmung in Deutschland. „Mich selber hat die deutsche Friedensbewegung sehr motiviert“, sagt die Anwältin, „und auch das amerikanische Militär beobachtet die Friedensbewegung sehr aufmerksam.“ Sie hofft jetzt, die Desertions-Anklagen in den Vorwurf des spontanen unerlaubten Fernbleibens von der Truppe umwandeln zu können.
Tatsächlich war bei vielen der untergetauchten Soldaten die Flucht vor dem Einsatz im Golfkrieg ein spontaner Entschluß. So zum Beispiel bei dem Koch, der um Mitternacht mit der Nachricht geweckt wurde, am nächsten Morgen solle er nach Saudi-Arabien geflogen werden, um dort „auf dem Schlachtfeld“ zu kochen. Als Zeuge Jehovas hatte er schon lange mit dem Gedanken an Kriegsdienstverweigerung gespielt, die nächtliche Überraschung versetzte ihn Panik. Oder der islamische Soldat, der nicht auf seine Glaubensbrüder schießen wollte — und dem sein Vorgesetzter riet, dann seine Religion doch einfach zu wechseln.
Ein anderer untergetauchter Soldat wird vom „Military Counseling Network“ jedoch nicht vertreten. Er hatte sich dem Marschbefehl nach Saudi-Arabien in den Golfkrieg mit dem Vorschlag verweigert, man solle doch lieber das Leben der US- Soldaten schonen und „Saddam mit einer Atombombe wegputzen“.
Military Counseling Network, Tel. 069 / 431440 oder 06762 / 2652
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