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Der Forschungsmarkt gegen die trübe Zukunft

■ Wie sich der »Forschungsmarkt Berlin« auf der größten Industriemesse der Welt in Hannover präsentiert/ Die Technische Universität präsentiert ein Elektrofahrrad/ Nur wenige Ostberliner Firmen auf der Industrieschau vertreten

Hannover. Im geometrischen Messe-Einerlei der Stellwände und Preßspansäulen fällt das Kolossalgemälde gleich ins Auge: Zweimal zwanzig Quadratmeter »Zukunft der Metropole Berlin«, gemalt von Matthias Köppel, lenken seit einer Woche in Halle 18 des hannoverschen Messegeländes die Aufmerksamkeit der Besucher auf den »Forschungsmarkt Berlin«, auf dem 24 wissenschaftliche Projekte Forschung für eben jene Zukunft der Metropole präsentieren sollen. Links die Stelltafeln und Monitore der Medizintechnik und Umweltforschung, der allein knapp die Hälfte der ausgestellten Projekte zuzurechnen ist. Rechts die Fertigungstechnik und die naturwissenschaftliche Grundlagenforschung. In der Mitte eine durch Mittelstreifen und Laternen zur Straße stilisierte schwarze Rampe, die zwischen den beiden Bildhälften nach oben führen soll. Pulsierendes Leben vor Hochhäusern, die in einen wolkenverhangenen roten Morgenhimmel ragen, in verhaltenem Optimismus sieht Köppel die künftige Metropole Berlin.

Schon in Serienfertigung gegangen ist der Publikumsmagnet des Forschungsmarktes: Gleich vorn im Umweltbereich präsentiert das Institut für Elektronik der TU, deren Messeabteilung den gesamten Forschungsmarkt ausrichtet, ein Elektrofahrrad. Seit April wird das vom Bundesumweltamt geförderte Produkt vom Nürnberger Fahrradhersteller Hercules angeboten. Ein Akku vor dem Lenker und ein Elektromotor an der Hinterachse sorgen für eine Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h und eine Reichweite von 25 Kilometern. Aufladbar über jede Steckdose, verdankt es seine Höchstgeschwindigkeit und seine gesonderte Existenz neben dem Elektromofa dem bundesdeutschen Verkehrsrecht, das erst über 20 km/h den Helm zur Pflicht macht. »Es ist aus jeder Steckdose aufladbar, schafft Steigungen bis zehn Prozent problemlos und verbraucht — den Ernergieverlust bei Stromerzeugung eingerechnet nur Strom — aus 0,3 Litern Kraftstoff«, preist der junge Mann das Elektrogefährt. Wer noch mehr Energie sparen wolle, könne es ja auch noch über einen am Heimtrainer installierten Generator aufladen.

Verkehrs- und Umweltfragen stehen bewußt auf dem Berliner Forschungsmarkt im Vordergrund. »Wir wollen hier Antworten auf Probleme zeigen, die der Ballungsraum Berlin in Zukunft bekommen wird«, begründet Rainer Thiem von der Messeabteilung der TU diese Schwerpunktsetzung. Da geht es um die Reinigung industrieller Abwässer, so die erste »abwasserfreie Galvanisierungsanlage« der Welt, um Lärmdämmung von Schienen oder auch um die Reparatur von smoggeschädigten Gebäuden und Skulpturen. Ein Verfahren zur »Rekarbonatisierung von Gipskrusten« stellt das im Berliner Osten gelegene »Zentralinstitut für Physikalische Chemie« vor. Die Messeabteilung der TU hat allerdings nur wenige Forscher aus der ehemaligen Haupstadt der DDR zur Teilnahme an dem Forschungsmarkt bewegen können. Von dort kommt nur jeder sechste Aussteller, obwohl die DDR einst den größten Teil ihrer Forschung in ihrer Hauptstadt konzentriert hatte. »Natürlich kann sich auch die Forschung im ehemaligen Osten sehen lassen, aber die Forscher melden sich nicht zu Wort«, sagt Rainer Thiem. Im Zeichen der »Abwicklung« herrsche an den meisten Instituten doch Zurückhaltung bis Resignation vor.

Kooperationspartner aus Wissenschaft und auch Industrie zu finden, die mit Geldern, mit »Drittmitteln« in die Projekte einsteigen — das ist das eigentliche Ziel der ausstellenden Wissenschaftler. Rund 50 echte Fachgespräche pro Aussteller hat Thiem bisher gezählt. Dauerhafte Kontakte zu Fachkollegen oder tatsächlich Kooperationen mit Industrieunternehmen würden sich daraus aber nur in Ausnahmefällen und dann auch nur auf lange Sicht herausbilden. Aber auch ohne »konkrete Abschlüsse« rechtfertigt sich der Etat von einer Million, den seine Abteilung für insgesamt drei Messen zur Verfügung hat, allemal: »Nirgendwo kann eine Region so preiswert auf ihre Potenz aufmerksam machen wie auf der Hannover- Messe«, sagt er.

Auch von seiten der Sozialwissenschaft finden sich im übrigen auf dem Forschungsmarkt Berlin Antworten auf die Frage nach der Zukunt der Metropole. Professor Hans Merkens von der FU stellt dort erste Ergebnisse einer Untersuchung zur »Jugend im vereinten Berlin« vor, die noch Jahre fortgeführt werden soll. Je 600 Schüler der Klassen sieben bis zehn aus beiden Teilen der Stadt hat er befragt, und in Ost und West stimmten sie gleichermaßen überwiegend dem Satz zu: »Die Zukunft sieht sehr trübe aus.«

Berlin wartet auf den Hauptstadtboom

124 Fimen aus Berlin, davon 23 aus den östlichen Stadtbezirken — das ist die Messe-Präsenz von der Spree. Die meisten Unternehmen kommen aus den Bereichen Elektronik und Elektrotechnik, darunter aber nur sehr wenige aus dem Ostteil. Die Berliner Absatzorganisation, vom Senat gefördert, versucht seit Jahren, die Berliner Wirtschaft auf Messen zu präsentieren. Nach Angaben ihrer Leiterin Margrit Hobusa warte man auf den Hauptstadtboom allerdings noch. Sie beklagt, daß ihre Gelder um zehn Prozent, und das bei zusätzlichen Aufgaben, gekürzt worden sind: »Solange man uns die Gelder kürzt, ist es sehr schwer, den Ostanteil zu integrieren.« Jürgen Voges

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