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Vom Ladenbesitzer zum Medienzar

Unbemerkt von Behörden und Öffentlichkeit kauft ein polnischer Geschäftsmann Polens Presse auf/ Sein Kattowitzer Bankhaus macht's möglich: Polens Presse steht vor einem Konzentrationsprozeß  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Im vierten Stock eines baufälligen Gebäudes in der Warschauer Innenstadt beraten zur Zeit die Mitglieder der RSW-Liquidierungskommission, wem sie eine von Polens bekanntesten Tageszeitungen, 'Zycie Warszawy‘ verkaufen sollen. RSW, so hieß der Pressekonzern der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei, bis diese sich auflöste und der Konzern verstaatlicht wurde. Nun soll er reprivatisiert werden, und das möglichst so, daß nicht wieder ein neues Monopol entsteht. Doch obwohl sich die Kommission große Mühe gibt, marktbeherrschende Konstellationen zu vermeiden, wird sie den anstehenden Konzentrationsprozeß auf dem Pressemarkt nicht verhindern können. Denn was sich nach der Zuteilung abspielt, darauf hat die Kommission keinen Einfluß mehr. Schon hat Robert Hersants französische Verlagsgesellschaft sieben polnische Zeitungstitel gekauft, doch der Appetit des Medienzaren scheint längst noch nicht gesättigt.

Da zugleich viele der polnischen Investoren, die Zeitungen kaufen wollen, nicht über die entsprechenden Mittel verfügen, kommt besonders den Banken eine Schlüsselrolle zu. Die Kattowitzer Kredithandelsbank AG hat die Chance erkannt, die sich mit der RSW-Privatisierung bietet: Sie schickt sich an, an Liquidierungskommission, an Monopolbehörde und Öffentlichkeit vorbei, den größten Teil von Polens Presse zu schlucken — auf eine Art und Weise, die westlichen Verlagsübernahmen allemal ebenbürtig sein dürfte. Anders als ihre Konkurrenten tritt sie dabei nur selten direkt als Bieter auf. Stattdessen finanziert sie Übernahmen mit ihr verbundenen Firmen, gründet Tochtergesellschaften oder erwirbt Kontrollpakete in bereits versteigerten Zeitungen.

So trat die Bank bei der Versteigerung der renommierten 'Gazeta Krakowska‘ gar nicht erst selbst auf. Formell erwarb die Krakauer Tageszeitung eine Kapitalgesellschaft angesehener Krakauer Bürger für 2,5 Milliarden Zloty (400.000 DM). Doch die Übernahme und anschließende Modernisierung werden finanziert mit Hilfe eines 15-Milliarden-Kredits der Kattowitzer Kredithandelsbank, die zugleich auch noch 30 Prozent der Anteile an der Gesellschaft hält. Auf ähnliche Weise erhielt die Bank bisher noch in drei weiteren Fällen den Zuschlag der Kommission: Eine Kattowitzer Boulevardzeitung, eine Danziger Tageszeitung und eine mazurische Lokalzeitung gerieten unter ihren Einfluß.

Bis vor kurzem war das Kattowitzer Bankhaus, das inzwischen Vertretungen im ganzen Land eröffnet hat, noch ein unbeschriebenes Blatt. Im Januar 1990 gegründet, vereinigt die Aktiengesellschaft drei private Kapitalgesellschaften, eine Personengesellschaft und eine staatliche GmbH. Geht man den äußerst komplizierten Firmenverzweigungen allerdings genauer nach, so stellt man fest, daß die Bank und ihre Teilhaber zu über 90 Prozent in der Hand eines einzigen Mannes sind: Ryszard Janiszewski. Der Mann im Hintergrund hat es geschafft, vom kleinen Ladenbesitzer in Kattowitze innerhalb von fünf Jahren zum Eigentümer eines mittleren Konzerns aufzusteigen. Nun schickt er sich an, auch noch Pressemagnat zu werden. Äußern möchte sich Januszewski dazu einstweilen noch nicht, das könnte, so meint er, „unseren geschäftlichen Vorhaben abträglich sein“. Janiszewskis Bank beabsichtigt nämlich zu den sechs bereits jetzt unter Dach und Fach gebrachten Übernahmen noch mindestens vier weitere Zeitungen zu schlucken. Dabei jongliert Janiszewski äußerst geschickt mit seinen verschiedenen Firmen.

Als die Liquidierungskommission die Danziger Lokalzeitung 'Glos Wybrzeza‘ (Stimme der Küste) zum Verkauf ausschrieb, bot Janiszewski gleich in doppelter Verkleidung mit. Die Rechnung ging auf. Zwar erhielt die Racom GmbH, Anteilseigner an der Kattowitzer Handelskreditbank und über zwei andere Firmen in der Hand Janiszewskis, trotz des höchsten Angebots nicht den Zuschlag, doch die Glos Wybrzeza GmbH machte das Rennen. Der Erwerb des Blattes in Höhe von 3,5 Milliarden Zloty und anschließende Investitionen von bis zu 15 Milliarden werden von Janiszewskis Bank per Kredit finanziert. Zusätzlich ist die Bank auch noch Anteilseigner der Verlagsgesellschaft. Sollte die Rechnung einmal nicht aufgehen, so genügt es zu warten. 71 von insgesamt 179 zu privatisierenden Titeln wurden den von den Belegschaften gebildeten Genossenschaften kostenlos überlassen. Da diese aber nur selten die nötigen Mittel für Modernisierungen aufbringen können, sind sie auf Geldgeber wie die Kattowitzer Bank angewiesen. So war das auch im Fall der einzigen lokalen Tageszeitung im Oppelner Land, der 'Trybuna Opolska‘. Kaum war die Belegschaft stolzer Besitzer geworden, mußte sie sich auch schon nach finanzkräftigen Investoren umsehen. Nun wird die 'Trybuna Opolska‘ von einer Opolpress GmbH herausgegeben, an der die Kattowitzer Kredithandelsbank 60 Prozent der Anteile hält. Für die Belegschaft blieben ganze 20 Prozent. Und Opolpress bietet bereits beim Verkauf der nächsten Oppelner Lokalzeitung mit: zehn Millionen Zloty für die zweisprachige Zweiwochenzeitung 'Oberschlesische Nachrichten‘. Andrzej Notkowski, Sprecher der Liquidierungskomission: „Was nach der Vergabe geschieht, darauf haben wir keinen Einfluß mehr.“

In einer Woche wird einer der größten Happen, die Warschauer Tageszeitung 'Zycie Warszawy‘ unter den Hammer kommen. Im Hintergrund mit dabei: Janiszewski und seine Bank.

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