Europaparlament gegen Entwurf für Unionsvertrag

Berlin (afp/ap/taz) — 518 ambitionierte ParlamentarierInnen in Straßburg fühlen sich um ihr Mitwirkungsrecht betrogen: In einer mehr als dreistündigen Debatte lehnten die Mitglieder des Europaparlamentes gestern in seltener Einmütigkeit den Entwurf für einen Europäischen Unionsvertrag ab. Das Vertragswerk über politische Institutionen und Kompetenzen in der EG nach 1992 war am Tag zuvor von der luxemburgischen Regierung vorgelegt worden, die derzeit den EG-Vorsitz innehat.

Dem Europaparlament, als einzigem direkt gewählten und öffentlich tagenden Organ der EG, wird in dem Entwurf lediglich ein Vetorecht bei den Entscheidungen des Ministerrates eingeräumt. Die politische Macht im vereinten Europa mit seinen rund 340 Millionen EinwohnerInnen soll danach weiterhin in den Händen der Brüsseler Bürokraten von Rat und Kommission bleiben. An dem seit Jahren von ParlamentarierInnen, aber auch von einzelnen nationalen Regierungen, wie der Italiens, Belgiens und der BRD, bemängelten demokratischen Defizit in der EG würde sich mit der Umsetzung des Luxemburger Entwurfs nur wenig ändern.

Der Entwurf sieht nur Mitspracherechte des Europaparlaments in ausgewählten Politikbereichen vor — Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik, der Umweltpolitik sowie in den Bereichen Forschung und Entwicklungshilfe — die ParlamentarierInnen hingegen verlangen volle Entscheidungsbefugnis in allen Bereichen. Außerdem fordern sie eine Verkürzung und Vereinfachung des Verfahrens zwischen den EG-Institutionen Ministerrat, Kommission und Parlament. dora