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6th Black International Cinema Berlin

Vor ein paar Tagen schoß sich der schwarze Superdetektiv Shaft in der Flimmerkiste durch die New Yorker Getthos auf der Jagd nach (schwarzen) Kriminellen, Nutten und Drogendealern-von denen es in Wirklichkeit so viele gibt, daß sie unbeabsichtigt mittlerweile zum Filmklischee wurden.

Nur von Spike Lee abgesehen, beschäftigen sich weder die »Blaxploitation«-Filmerder 70'ger Jahre noch die zeitgeistigen schwarzen Filme der Gegenwart wie »House Party«, »New York City« oder »Bronx War« mit goldkettenbehangenen HipHoppern und sprücheklopfenden Rappern mit den Ursachen des Übels. Das vesucht der Dokumentarfilm »The Bronx: A Cry For Help« des Filmemachers Brent Owens, Bruder des Jazztrompeters Jimmy. 1998 bereits wurde dieser einstündige Streifen bei der Berlinale gezeigt-allerdings nur für Presse und Fachhändler in den Studios. So manches gute Werk, interessanter als viele Wettbewerbsbeiträge, geht da am Publikum vorbei.

Aber wen interssiert da auch schon die schreckliche Wirklichkeit der Home Street in der Bronx, wo kein Home mehr steht, kein Haus, nur ein paar Bretter-und Wellblechbaracken. Dritte Welt-Armut nur wenige Kilometer weit von Manhattans Rockefeller Center und Trump Tower. Zwölf Jahre brauchte Owens für sein aufrüttelndes Werk. Lösungen kann auch er nicht bieten, obwohl wir die hier für den Prenzlauer Berg und manche verfallenen Oststadt auch bald gebrauchen könnten. Die Bronx, Symbol für Amerikas Schattenseite, nur einen Deut schlimmer als Harlem und Brooklyn, wo Hausbesitzer spekulieren: farbige Minderheiten, die in die ursprünglich gute weißen Gegenden einziehen durften, vertrieben die weiße Mittelschicht. Die Spekulanten ließen dann die Häuser vergammeln und oft ganze Häuserblocks abbrennen, um die Versicherung abzukassieren. Seit Jahren sieht die South Bronx aus wie jetzt Bagdad. Unfreiwillig hat Brent Owens auch Amerikas umstrittensten Schauspieler honorarfrei in seinem Film, Ronald Reagan 1980 auf Wahlkampf: »Ich kann nichts für euch tun, wenn ihr mich nicht wählt.« In der South Bronx, ich bin selbst schon ein paarmal dortgewesen, hat sich seither nichts verbessert. Laut Statistik gibt es dort mehr Ratten als Menschen.

Dieser Film eröffnete gestern das viertägige »Black International Cinema«-Festival, das bereits zum 6. Mal von dem rührigen schwarzen Ehepaar Gayle McKinney und Donald Griffith (Wahl-Berliner aus New York) präsentiert wird. Im Anschluß findet noch ein kleines Seminar statt unter dem Titel »Filmemacher und die Gesellschaft«, an dem u.a. die schwarze FilmemacherinElena Featherston teilnimmt. Sie zeigte bei der diesjährigen Berlinale, ebenfalls unter Ausschluß der Öffentlichkeit, »Visions Of The Spirit«, ein Portrait über die Schriftstellerin Alice Walker. (Deren berühmtestes Werk, »The Color Purple« mit Whoopie Goldberg, wird übrigens am Dienstag um 19.00 im Amerika-Haus in Originalfassung gezeigt.)

Heute um 17.30 Uhr »Extra Change« und »Ein kranker Vogel«, zwei Kinderfilme, mit einem Seminar über die Erziehung multi-ethnischer Kinder.

Um 20.00 Uhr »Sandji-Water from Heaven« (ehemalige afrikanische Sklaven in einem Dorf in Senegal), »A Step In The Mind« (europäische Wertvorstellungen contra afrikanische Kultur), 22.15 Uhr »Zajota & The Boogie Spirit« (afrikanischer Tanz und Musik), »The Call of the Jitterbug« (die schwarzen Amerikaner nannten diesen Tanz »Lindy Hop«, der im Savoy Ballroom im Harlem der 30er Jahre erstmals die weißen Großstädter in größerem Umfang mit schwarzer Kultur bekannt machte); »Didn't We Ramble« (Geschichte der Marschkapellen, die von den Yoruba-Stämmen bis zu den Beerdigungs-Brassband in New Orleans reicht), »Crossroads« (Eigenproduktion des Fountainhead Tanztheaters der Festivalproduzenten).

Samstag, 18.00 Uhr »Paris is Burning« ist im Februar beim Internationalen Forum des jungen Films schon mit Erfolg gelaufen: Voguing-Tanzwettbewerbe in New York von Schwarzen und Latinos, von Femme queens und Butch queens. Anschließend ein Seminar über »Homosexualität in der heutigen Gesellschaft«. Um 21.00 Uhr das allgemein bekannte Portrait über Langston Hughes, allerdings mehr über seine Homosexualität als über sein umfassendes literisches Werk. Um 22.15 ein Dokumentarfilm über Nikaragua.

Zum Abschluß am Sonntag »Sidewalk Stories« (siehe Foto), der dialoglose Stummfilm um den obdachlosen Straßenkünstler (Charles Lane, auch Regisseur), der im Greenwich Village seiner brotlosen Kunst nachgeht-und dann aufeinmal liegt da eine Leiche, daneben steht ein Kinderwagen mit einem zweijährigen Mädchen. Als Tatverdächtiger muß der Mann samt Kind fliehen und während seiner tragikkomischen Odyssee durch Manhattan Kinderkleidung und Babynahrung klauen. Erinnerungen an Charly Chaplin's »Tramp« werden wach. Als dann eine junge Frau auftaucht, wird die Situation nicht einfacher... diese subtile Geschichte ist richtig entspannend nach dem richtig anstrengenden Minifestival. Norbert Hess

Am Wochenende im Arsenal

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