: Verstimmt-betr.: "Die neue First Lady von Heidelberg", taz vom 15.4.91
betr.: „Die neue First Lady von Heidelberg“, taz vom 15.4.91
Mehr als eine leichte Verstimmung machte sich beim Lesen des Portraits von Beate Weber bei mir breit: [...] Es fängt damit an, daß Helwerth es sich nicht verkneifen kann, etwas über die körperliche Konstitution Webers zu sagen: „ihre hellen Augen blitzten“ (Bundeskanzler Kohl ließ seine hellen Augen blitzen? — wohl kaum!) Die bewährte Methode des Wi(e)dergebrauchens sexistischer Rede in anderem Zusammenhang wirkt auch hier erhellend.
Wenig später erfahren die LeserInnen dann (hoffentlich) entsetzt, daß die ersten Worte, die Menschen im Gemeinderat zu Weber einfallen, „charmant“ und „gewinnende Art“ sind. Steckt hier die sexistische Vorstellung von den „Mannweibern“ in der Politik dahinter? Wohl schon, denn warum sonst dieses penetrante und anbiedernde Wiederholen des Charmes und der Damenhaftigkeit Webers. Helwerth sieht keinen Anlaß, diese frauenfeindlichen Praxen bei der Beurteilung von Frauen in Frage zu stellen (wenn's um Ex-OB Zundel geht, spielt der Glanz seiner Augen plötzlich keine Rolle mehr — er macht Politik).
Weiter geht's mit der Behauptung, Charme sei für Weber ein Kapital, daß sie gewinnbringend für sich einsetze. Aber Helwerth weiß, was alle wissen. Ist eine charmant, ist sie meist auch inkompetent, ist eine schön, ist sie blöde; daher muß die Autorin auch gleich betonen, daß Weber zwar charmant, aber „helle“ sei. Anscheinend keine Selbstverständlichkeit.
Ob die OB von Heidelberg auch ein politisches Programm hat, ist nach einem Drittel des Artikels noch unklar. Aber jeder und jedem ist mal wieder klar: Rede über Frauen schließt immer auch Rede über ihren Körper mit ein. Frauen in der Politik werden grundsätzlich mit „unsympathisch“ assoziiert — deshalb auch der bezeichnende Satz der GAL von der „Sympathe Weber“. Erste Hürde für Frauen ist es, diese Meinung zu entkräften. Männer fangen einfach an mit der Politik und ob ihre Augen blitzen oder nicht, ist egal.
Auch positive Bewertung von Frauen stabilisiert Frauenunterdrückung, wenn sie mit sexistischen Mitteln geschieht — wie das im Artikel von Helwerth immer wieder passiert. Was im Text einerseits kritisiert wird, nämlich die unterschiedliche Behandlung/Bewertung von Frauen und Männern in der Politik (Zitat Webers zur Frage nach ihrer Qualifikation: „Einem Mann mit meiner Qualifikation wäre das nicht passiert“), findet zugleich im Text selber wieder statt und reproduziert so die sexistischen Ordnungen der Gesellschaft. Anja Zimmermann, Tübingen
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