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Chauvinismus-betr.: "Der Terror der Wohlmeinenden", Kommentar von Walter Jakobs, taz vom 11.4.91

betr.: „Der Terror der Wohlmeinenden“, Kommentar von Walter Jakobs, taz vom 11.4.91

[...] Es ist schon ein starkes Stück, die aufgepäppelte BRD-Wirtschaft mit den real existierenden sozialistischen Staaten zu vergleichen, ohne die Geschichte zu berücksichtigen. Daraus auch noch die Schließung aller nichtkonkurrenzfähigen Betriebe in der DDR zu rechtfertigen, ist schlichtweg Chauvinismus.

Machen wir doch so weiter, Herr Jakobs: Im Osten gibt es noch mehr Staaten, die mit der BRD in Sachen Produktivität und Effektivität nicht konkurrieren können. Dafür schaffen wir dann die Ost-Europa-Treuhand. Danach vielleicht die Indien- Treuhand oder die Afrika-Treuhand. Bis die ganze Welt den hochrationalisierten BRD-Konzernen gehört.

Die entlassenen Menschen federn wir dann über sogenannte Sozialpläne ab. Natürlich kümmern wir uns nicht darum, ob sie sich dann überflüssig oder erniedrigt fühlen, denn die Moral, die gehört jetzt dem Kapital. Nach dem Mord an Rohwedder ist's aus mit den Montagsdemonstrationen. Selbst die Gewerkschaften haben Angst mit der RAF in einen Topf geworfen zu werden.

Denkt man an das Celler Loch oder den Fall Barschel, dann ist man fast versucht, in Rohwedder ein Bauernopfer zu sehen; so gut paßt das Ergebnis zu den Interessen des expandierenden Kapitals, die Walter Jakobs in seinem Beitrag hemmungslos verteidigt. [...] Bernd Schoeps, Dortmund

Noch ist die taz als Forum systemkritischen Denkens nicht verloren! Denn im Gegensatz zu den postmodernen Ideologieproduzenten vom Schlage der Hartung&Co. weiß Walter Jakobs immerhin noch, daß der Kapitalismus „nicht das Ende der Geschichte“ ist. Allerdings wirft sein Plädoyer für das „reformistische linke Konzept“, das mangels theoretischer und vor allem praktischer Alternativen auf eine „sozialökologische Reformierung und Zivilisierung des Kapitalismus“ abzielt, etliche Fragen auf.

Jakobs lehnt die RAF-Strategie des individuellen Terrors gegen die „Kapitalistenschweine“ ab, weil sie auf „Denken in Schwarz-Weiß-Kategorien“ basiere. So weit, so gut. Warum aber stimmt er ein Loblied auf Herrn Rohwedder an, der sich als Manager bei Hoesch und der Treuhandgesellschaft „ganz praktisch“ um das Wohlergehen der Arbeitsleute gekümmert habe? Ist es nicht vielmehr so, daß „Manager vom Range Rohwedders“ mitnichten als Menschenfreunde oder -feinde agieren, sondern die „Systemimperative der Wirtschaft“ (Habermas) exekutieren? Ideologieproduzenten prägten für dieses Unterfangen den zeitlosen Begriff „Sachzwang“; Marx hingegen erkannte die „Plusmacherei“ als immanenten Zwang des kapitalistischen Produzierens, weshalb er übrigens gar nichts vom Totschießen der Kapitalisten, sehr viel jedoch von der Abschaffung des Kapitalismus hielt.

Weiterhin sieht Jakobs im (nicht mehr) realexistierenden Sozialismus keine „praktische Alternative zur liberal-demokratischen Ordnung“. Auch das ist akzeptabel. Weshalb aber will er die „Linke in den westlichen Ländern“ auf den Kampf für die „sozialökologische Zivilisierung des Kapitalismus“ beschränken? Könnte es nicht sein, daß er ihr eine Sisyphusarbeit aufbürdet? Denn eine Politik, welche die kapitalistische Produktionsweise — und sei es auch nur vorläufig — akzeptiert, kann die „Systemimperative der Wirtschaft“ nicht ignorieren; die SPD ist hierfür ein anschauliches Beispiel. Ist also der Kapitalismus ohne seine Barbareien im Trikont (Golfkrieg) und in den Metropolen (FNL) nicht zu haben? Franz Anger, Neuss

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