Festnahme nach tödlichem Ausländerhaß

■ Im Fall des getöteten Mosambikaners Jorge Gomondai nahm die Dresdner Polizei einen Tatverdächtigen aus Westdeutschland fest/ Rechtsradikale planen Sternmarsch nach Dresden

Berlin (taz) — Drei Wochen nach dem tödlichen Überfall einer Gruppe von rechtsradikalen Jugendlichen auf den Mosambikaner Jorge Gomondai hat die Dresdner Polizei einen ersten Tatverdächtigen festgenommen. Unter dem dringenden Verdacht, zum Kreis derjenigen zu gehören, die den 28jährigen Afrikaner in der Nacht zum Ostersonntag angegriffen und aus einer fahrenden Straßenbahn gestoßen hatten, wurde am Mittwoch nachmittag gegen einen 19jährigen jungen Mann aus Westdeutschland Haftbefehl erlassen. Der jetzt Festgenommene lebt nach Angaben der Staatsanwaltschaft seit einigen Monaten in Dresden und ist nach den bisherigen Erkenntnissen rechtsradikalen Kreisen zuzuordnen. Genauere Angaben wollte die Staatsanwaltschaft gestern jedoch nicht machen, da man gerade in der „heiße Phase“ der Ermittlungen sei und als gesichert gilt, daß der junge Mann bei dem Überfall auf Jorge Gomondai nicht allein gehandelt habe. Es wird deshalb auch noch gegen andere Tatbeteiligte ermittelt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 19jährigen Körperverletzung mit Todesfolge und Beteiligung an einer Schlägerei vor. Der Tatverdächtige selbst hat sich bisher zu den Vorwürfen nicht geäußert. Während dessen hat sich am Mittwoch in Dresden eine Gruppe von rund 40 rechtsradikalen Jugendlichen mit dem Namen „Kameradschaft“ zu Wort gemeldet und sich von dem Mord an Gomondai distanziert.

Nazi-Aufmarsch zum „Führergeburtstag“?

Morgen sollen sich Neonazis aus ganz Deutschland anläßlich des 102.Geburtstags von Adolf Hitler zu einem Sternmarsch in Dresden treffen. Die Dresdner Staatsanwaltschaft rechnet mit einer Fortsetzung der gewalttägigen Übergriffe von Rechtsradikalen, die die Elbe-Stadt inzwischen zur „Hauptstadt der Bewegung“ auserkoren haben. Um Ausschreitungen zu verhindern, wurden in Dresden 900 Polizisten und Mitglieder von Polizei-Spezialeinheiten zusammengezogen. Das Fußballheimspiel von Dynamo Dresden gegen Energie Cottbus wurde eigens auf heute abend vorverlegt. Immer mehr rückt Dresden in den Mittelpunkt rechtsradikaler Agitation und Aktion. Erst letzte Woche griffen knapp 100 Neonazis den Trauerzug von etwa 7.000 DemonstrantInnen an, die Abschied nehmen wollten von Jorge Joao Gomondai. Der 28jährige aus Mosambik war am Ostersonntag von Skins aus einer fahrenden Straßenbahn gestoßen worden und erlag seinen schweren Verletzungen. Der Tod von Gomondai ist der vorläufige Höhepunkt einer Serie von rechtsradikalen Übergriffen gegen AusländerInnen und linke Einrichtungen. Im November gaben Neonazis beim Versuch, ein besetztes Haus zu stürmen, scharfe Schüsse ab. Zwischen Weihnachten und Neujahr wurden drei Szenekneipen überfallen.

Rechtsradikale Organisationen schossen in Dresden seit Beginn letzten Jahres wie Pilze aus dem Boden. Neben NPD, DVU und Reps sind dort vor allem die militanten Gruppierungen „Deutsche Alternative“ (DA), der „Verband der Sächsischen Werwölfe“ (VdSW), die „Schutzstaffel-Ost“ (SS-Ost), der „Nationale Widerstand Deutschlands“ (NWD) sowie eine „Wehrsportgruppe Hans-Joachim Peiper“ an vorderster Front aktiv. Diese Gruppierungen und insbesondere Rainer Sonntag und Dirk Vogel stehen in engem Kontakt mit den bundesdeutschen Gruppierungen „Freiheitliche Arbeiterpartei“, „Nationalistische Front“ und „Nationale Liste“ sowie dem österreichischen FAP-Ableger „VAPO“. Deren Protagonisten Michael Kühnen, Gottfried Küssel und Christian Worch haben ihr anfängliches Engagement von der Ostberliner Weitlingstraße nach Dresden verlegt. Seit Januar 1991 soll die vormals dort stationierte Funkkommunikationszentrale der DA nach Dresden (Cotta) verlegt worden sein.

Kühnen, Worch und Küssel führten auch am 20.Oktober letzten Jahres einen Zug von etwa 500 Neonazis durch Dresden an. Diese Demonstration war ebenso von der Dresdner Stadtverwaltung genehmigt worden wie ein Auftritt des Geschichtsrevisionisten David Irving in der Elbe-Stadt. Vera Gaserow/Bernd Siegler