: US-Militärs verlangen irakisches Stillhalten
■ Iraks Armee soll Einrichtung von Flüchtlingslagern für Kurden im Nordirak nicht behindern/ 13.000 Soldaten im Grenzgebiet erwartet/ Kurdische Demokratische Partei bestätigt die Vereinbarung einer Feuerpause mit den irakischen Truppen
Silopi/Bagdad/Genf (dpa/afp/ap) — Vertreter der US-Streitkräfte wollten gestern abend im nordirakischen Sacho mit dem irakischen Militär zusammentreffen, um Bagdad aufzufordern, weder die geplante Einrichtung von Flüchtlingslagern im Nordirak zu behindern, noch Truppen in einem rund 30 Kilometer weiten Umkreis von Sacho zu verlegen oder nördlich des 36. Breitengrades die Luftwaffe einzusetzen. Um die Errichtung der „zehn bis fünzehn“ Flüchtlingslager im irakisch- türkischen Grenzgebiet vorzubereiten, hat ein erstes multinationales Militärkommando begonnen, die Brücken über den Habour-Fluß zu reparieren, der den Irak zwischen Silopi und Sacho von der Türkei trennt. Am Donnerstag waren amerikanische Voraustrupps in den Nordirak eingerückt, um geeignete Stätten für den Aufbau von Auffanglagern zu erkunden.
Bei der Hilfsaktion wollen die USA, Großbritannien und Frankreich insgesamt 13.000 Soldaten einsetzen. Die ersten 700 US-Soldaten trafen am Donnerstag abend im türkischen Silopi ein. Die Errichtung der Unterkünfte soll in wenigen Tage beginnen, für die Sicherstellung der Versorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten wurde ein Zeitraum von zwei Wochen genannt. Rund 800.000 der insgesamt vier Millionen irakischen Kurden sind in die Türkei oder in das irakisch-türkische Grenzland geflüchtet. Fast 1,5 Millionen suchten Zuflucht im Iran.
Die Alliierten haben bereits angekündigt, daß sie die von ihnen errichteten Lager bald der Obhut der UNO übergeben wollen. Der UNO-Sonderbeauftragte für die humanitäre Hilfe in der Golfregion, Aga Khan, erklärte gestern in Genf, für die Errichtung und Unterhaltung der Lager im Nordirak würden mehrere hundert Millionen Dollar benötigt. Er vertrat die Auffassung, die Flüchtlingshilfe der UNO für die Kurden und die Maßnahmen der Alliierten für entsprechende Lager im Norden Iraks sollten „irgendwann in Einklang“ gebracht werden. Dafür seien dann aber „ernsthafte Konsultationen“ nötig.
Die Bundesrepublik wird nach Angaben von Außenminister Hans- Dietrich Genscher neben dem bereits vorhandenen Stützpunkt für Hilfslieferungen in der Türkei auch noch einen in der iranischen Stadt Perkaran einrichten. Genscher, der gestern mit dem türkichen Staatschef Turgut Özal zusammentraf, wollte sich auf dem türkischen Stützpunkt Batman über den Fortgang der Hilfslieferungen informieren. Täglich fliegen mindestens zwei Transall-Maschinen der Bundeswehr von Deutschland aus mit Hilfsgütern nach Südost-Anatolien. Von dort aus werden die Hilfsgüter mit Hubschraubern in die Lager gebracht, in denen sich mehrere hunderttausend Flüchtlinge aufhalten.
Die Demokratische Partei Kurdistans (DPK) von Masud Barsani hat am Donnerstag die Vereinbarung einer Feuerpause mit den irakischen Regierungstruppen bestätigt. Diese „vorläufige“ Feuerpause wolle die „Front Kurdistans“, in der die größten Kurdenorganisationen zusammengeschlossen sind, zur Überprüfung eines Autonomieangebots der irakischen Regierung nutzen. In London erklärte ein DPK-Sprecher, große Gruppen loyaler Iraker seien in den verlassenen kurdischen Dörfern angesiedelt worden. Außerdem hätten kurdische Rebellen einen Armeefunkspruch aufgefangen, in denen irakischen Militärs erlaubt würde, „95 Prozent der feindlichen Elemente zu töten und den Rest für Verhöre gefangenzuhalten“.
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