: „Alle AKWs abschalten“: Fünf Jahre Tschernobyl
■ Veranstaltungen in Bremen
Zum fünften Jahrestag des Reaktorunfalls von Tschernobyl am 26.4. will die Bremer Arbeitsgemeinschaft „Alle Atomkraftwerke abschalten — Stade zuerst“ die kritische Diskussion um die Atomkraft wiederbeleben. Heute abend lädt die AG um 20.00 Uhr ins Konsul-Hackfeld-Haus zu einer Podiumsdiskussion. Thema: „Wie sieht's aus mit dem Abschalten von Stade?“ Die Besetzung des Podiums verspricht eine spannende Veranstaltung. Eingeladen wurde der Staatssekretär im Niedersächsischen Umweltministerium, Peter Bulle (SPD), der Bremer Physikprofessor Jens Scheer und Cornelius Noack, SPD-Mitglied und Vorsitzender des ehemaligen Bremer Energiebeirates.
„Fünf Jahre nach dem Unfall von Tschernobyl haben wir immer noch nicht alle Informationen über das tatsächliche Ausmaß der Katastrophe“, kritisierte das Vorstandsmitglied der AG, Herbert Brückner, die lückenhafte Aufklärung durch die sowjetischen Behörden. „Statt 13 Todesopfer hat es tatsächlich tausende gegeben, statt tausender Verseuchter kämpfen heute hunderttausende mit den Spätfolgen, und nicht ein kleines Dorf hätte evakuiert werden müssen, sondern ganz Kiew“, skizzierte Brückner die realen Unfall-Dimensionen nach dem Brand im ukrainischen Graphit-Reaktor. Um weitere Unfälle dieses Ausmaßes auch in der Bundesrepublik zu vermeiden, gebe es nur einen sicheren Weg: Alle Atomkraftwerke abschalten, und das in Stade zuerst.“
„Was dem einen sein Graphitbrand ist, ist dem anderen sein Kesselbersten“, bestätigte Jens Scheer die Gefahr eines Reaktorunfalles in der BRD. Der Atombombenabwurf in Hiroshima habe gezeigt, das Strahlenkrebs noch bis zu 20 Jahren nach dem eigentlichen Unfall auftreten könne. „Da kommt noch ein ganz dickes Ende auf uns zu“, befürchtet der als Atomkritiker international bekannte Scheer. Bereits jetzt könne man nachweisen, das durch den radioaktiven Fallout die Säuglingssterblichkeit in Süddeutschland signifikant gestiegen sei. „Von einer Landesregierung, die es ernst meint mit dem Ausstieg, erwarte ich, daß sie sich in großem Maße an Demonstrationen und Blockaden gegen Atomanlagen beteiligt“, forderte Scheer in Richtung der rot-grünen Landesregierung Niedersachsens.
Neben der Podiumsdiskussion heute abend wird der Unfallkatastrophe von Tschernobyl mit einer Demonstration gedacht, die am Samstag um 10.00 Uhr vom Bremer Ziegenmarkt startet. Vom 30.4. an zeigt eine Ausstellung im Übersee-Museum Fotos des Münchner Strahlenmediziners Lengfelder sowie fachwissenschaftlich gezeichnete Bilder von mutierten Insekten aus der Region.
mad
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