: Marktwirtschaftliches Streben
■ Ein Crashkurs im Stiftungswesen von West-Adel für Ost-Künstler mit den Stiftungen »Neue Kultur«, »Haus Europa« und »Industrie und Alltagskultur« in der AdK (Ost)
Haben Sie, liebe Kulturinitiative im »Beitrittsgebiet«, schon Ihre Stiftung gegründet? Sicher, ohne Stiftungskapital geht es nicht. Ein bißchen Volkseigentum, das man vor dem Rachen des großen Bruders bewahren will, braucht es schon. Haben Sie nicht gerade Mittel aus dem »Kulturfonds« zur Verfügung, weil der schon in eine andere Stiftung einging, dann schauen Sie sich doch nach Sponsoren um. Rat und Hilfe bekommen Sie beim Bundesverband Deutscher Stiftungen oder bei einer Sponsoring- Management-Firma, die dann auch gleich treuhänderisch über das zukünftige gemeinnützige Vermögen waltet. Zum Beispiel. Damit könnten auch Sie, liebe Initiative, Ihren Beitrag zum Erhalt der ostdeutschen Kulturlandschaft leisten.
So etwa hätte die Einladung zu jener Tagung lauten können, die die neu gegründete »Stiftung Neue Kultur« am Samstag in der Akademie der Künste (Ost) veranstaltete, unter dem Motto »Kulturförderung durch private Initiative«. Angeschlossen war noch die Stiftung »Haus Europa«, die sich dem europäischen kulturellen Einigungsprozeß, und die Stiftung »Industrie und Alltagskultur«, die sich der »Geschichtserkenntnis«, dem »Vernunftanspruch gegen die Banalisierung aller Lebensformen« sowie der »Aufklärung« verschrieben hat.
Alle drei verdanken ihre Gründung einer Initiative des Interim-Ministeriums für Kultur im Rahmen jener letzten »Rettungs- und Reparaturarbeiten« eines allzu schnell wieder abgesetzten letzten Kulturministers der DDR mit Namen Herbert Schirmer. Der saß übrigens während der ganzen Tagung in der ersten Reihe und schwieg beharrlich. Bevor die Gelder des DDR-»Kulturfonds«, bestehend aus den gesammelten Kulturgroschen, die bei jeder Kulturveranstaltung abzuführen waren, im schwarzen Bonner Loch verschwanden, kamen sie jenen Stiftungen und der Rettung zumindest eines Instituts zugute: Das von Abwicklung bedrohte Amt für industrielle Formgestaltung samt seiner Archive ging in der Stiftung »Industrie und Alltagskultur« auf. Doch dem hehren Anspruch der Stiftungen, beklagte der Vorstandsvorsitzende von »Neue Kultur« und Archivar von »Industrie und Alltagskultur«, Hein Köster, stehe ihre ungenügende finanzielle Ausstattung entgegen. Zur Zeit lassen sich die Stiftungsneugründungen von einer Münchener Sponsoring- Management-Firma »Maecenata« treuhänderisch verwalten, die dann auch— wen wundert's — das Regiment auf der Tagung führte.
Angesprochen auf die Motive für die Gründung des »Hauses Europa«, meinte die Ex-Staatssekretärin im Schirmer-Ministerium und jetzige Vorstandsvorsitzende, Gabriele Muschter, sie wollte »etwas Tolles« machen, ursprünglich gar am Potsdamer Platz. Dann wollte das »Haus Europa« in den Palast der Republik, und jetzt verhandelt man mit dem Haus der sowjetischen Wissenschaften. Satzungsgemäßes Ziel der Stiftung »Haus Europa« ist eine »Besinnung auf die Grundwerte abendländischer Kultur«. Letztlich will man nach »Frieden, Völkerverständigung, Demokratie und Marktwirtschaft« streben, um »Diskriminierungen und Kolonialisierungen« entgegenzuwirken. So undialektisch wie die Satzung war auch die Zusammensetzung der Referenten der Tagung. Vor einem neoklassizistischen Bogenfries in der Akademie am Robert-Koch-Platz drängelte sich der Adel: links Rupert Graf Strachwitz, der schon einige Ehrenvorsitze in Malteserorden und Caritasverbänden sowie eine Präsidentschaft in der Verwaltung des Herzogs von Bayern verbuchen konnte, bevor er als »Maecenatas«-Geschäftsführer zum persönlichen Treuhänder der noch nicht autarken Stiftungen avancierte. Rechts Dr. Bernhard Freiherr von Löffelholz, der als Vorstand der Jürgen-Ponto-Stiftung (Dresdner Bank) und Vorstand im Kulturkreis des Bundesverbands der deutschen Industrie »totalitäre Ideologien von Marx bis Hitler« geißelte. In der Mitte der mit Unternehmensberatern und weiteren Stiftungsvertretern komplettierten Herrenrunde schließlich Gabriele Muschter.
Ob der dringlich geforderte »Paradigmenwechsel«, der Ruf nach einer »Beendigung des Handlungsmonopols des Staates« und nach einer »Privatisierung der institutionellen Kunst« nicht nur zu einer »Mobilisierung aller kulturellen Kräfte« führte, sondern auch die anwesenden, demokratisch applaudierenden Vertreter aus Kultur und Kulturverwaltung letztlich zur Stiftungsgründung treiben konnte, war nicht auszumachen. Die zahlenmäßig überlegene Arbeitsgruppe »Finanzierung« blieb bei allgemeinen Überlegungen. Konkrete »Hilfe zur Selbsthilfe« spielte sich in einer anderen Arbeitsgruppe ab, wo Stiftervater Köster die Schultheiss-, Prater- und Tacheles-Initiativler strategisch beriet. So wurde zwar einiges angestiftet — eine dem Bundespräsidenten unterstellte »Stiftung Deutschland«, eine »Kulturstiftung der ostdeutschen Länder«, Kulturbeiräte, all das bitte »personell verflochten«, Münzenprägung und die Fortschreibung des »Kulturgroschens« —, der konkrete Nutzen lag aber wohl anderswo. Endlich, vertraute ein Tacheles-Betroffener dem andern an, habe er verstanden, was es mit der »Durchlaufspende« auf sich hat. Dorothee Hackenberg
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