: Wie heißt das bloß: Der, die oder das Tram?
■ Berlin und sein neues altes Verkehrsmittel Straßenbahn/ Der Artikel der oder des Tram(s) im Spannungsfeld zwischen Züri-Linie, Wien, Bremen und der Ostberliner BVB/ Einige Überlegungen zum Thema
Früher hat mein Freund Ruedi in Zürich immer einen Lachanfall bekommen, wenn ich mit der Tram durch die Stadt fahren wollte. Irgendwann verstand ich dann, daß dort mit dem Tram zum Bürkliplatz gefahren und in das Tram zum Stauffacher umgestiegen wird — und nicht in die Tram. Das Umlernen war schwer genug: Der Tram bin ich als West-, Nord- und jetzt Ostlicht zwar in den Lehrjahren der Artikulierung, als Kind im Ruhrgebiet mit seinen »Straßenbahnen« also, nie begegnet. Dennoch ist sie als die Tram(bahn), nicht als das Tram, in meinem Wortschatz gelandet.
Dies muß wohl gewissen historischen Studien gedankt gewesen sein — schließlich fällt der Duden ein vernichtendes Urteil über den jüngsten Einfall der BVB: »süddeutsch und österreichisch veraltend«, heißt es da unter dem Stichwort »Tram die«; intakt und gültig ist der Duden-Redaktion einzig das schweizerische Das.
Das wäre nicht weiter berichtenswert, wenn ich nicht bei meinem letzten Besuch in Zürich in dem Tram an einen ebenso gut informierten wie betrunkenen Zimmermann aus Wien mit Arbeitsbewilligung für die Schweiz geraten wäre, der mir, delirierend, nicht die, sondern den Tram näherbringen wollte. In der Tram sitze er jetzt auf dem Weg von der Arbeit — »in dem Tram«, murmelte es mundartig vom Nachbarsitz —, aber — zum Nachbarn gewandt: »Genau!« — mit dem Tram sei er auf der Arbeit befaßt. Der Tram aber war, soviel habe ich am Ostermontag bis zur Haltestelle Albisrieden verstanden, nicht der Ausgangspunkt eines weiteren österreichisch- schweizerischen Gegensatzes, sondern der eines solchen zwischen Stein und Holz.
Darin seien auch die beiden unterschiedlichen Erklärungen der Herkunft des Begriffs begründet. Der Tram nämlich sei in Wien die Bezeichnung für einen Balken; ein Münchner Kollege habe das Holz ganz ähnlich »den Tramen« genannt, und im Ruhrgebiet, habe er letzthin erfahren, sei der Ausdruck »der Tröme« noch jetzt gebräuchlich. Als gebürtiger Duisburger konnte ich, über den Artikel unsicher, wenigstens das Wort bestätigen.
Die Schwellen-Fachleute von dem (ja, ich lerne, veraltend, wieder um: der) Tram behaupteten hingegen, vor 200 Jahren habe ein englischer Bergwerksbesitzer namens Qutram damit begonnen, die Holzbefestigungen der Schienen in seiner Kohlegrube durch Steine zu ersetzen, woraufhin die Geleise als Qutram's Way bezeichnet und alsbald zu Tramway zusammengezogen wurden, the. Dies aber sei falsch, die (immerhin) Tram käme von dem Tram und mithin vom Holz und nicht vom Stein, quallte der Zimmermann. Dem unterstellte ich damals, es war der 1. April, zwar nicht einen Scherz, wohl aber bornierte Handwerkertümelei.
Doch, nach Berlin zurückgekommen, muß ich einräumen, daß ihm die Nachschlagewerke recht geben. Um die Verwirrung jedoch perfekt zu machen: Der Ausdruck »die Tramway« wird noch heute in Wien viel benutzt, nicht aber die Trambahn, die uns die BVB näherbringen wird, auch wenn sie nur die Tram im Sinne hat. Ganz wunderbar ist die Eierei der Hauptstadtpresse, die in den letzten Tagen immer nur vorsichtig von Tram schrieb, ganz ohne Artikel. Klar ist mir allerdings geworden, warum mein Bremer Freund Axel, der aus Backnang bei Stuttgart kommt und als gelegentlicher Fernfahrer zwischen Berlin, Zürich und Wien pendelt, sich weder für die Tram noch die Straßenbahn entscheidet. Er sagt es seit Jahren und wird damit überall verstanden: die Strampe. (Sollte er auf seinen Touren in Hannover Station machen, bekommt er jedoch Probleme. Dort nämlich muß er die Vorfahrt nicht des oder der Tram oder Strampe, sondern der Straba achten — d. CvD.) Dietmar Bartz
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