Sexismus mit Fingerspitzengefühl

Frauenverachtende Werbemethoden sind subtiler geworden: Der Deutsche Werberat läßt sich nur selten durch Beschwerden zum Eingreifen gegen sexistische Werbung veranlassen/ 40 Prozent der Beschwerden betreffen die Darstellung der Frau  ■ Von Bascha Mika

Berlin (taz) — Wenn Wasser auf viel nackter brauner Haut perlt, wenn riesige Brüste aus winzigen Bikinis quellen und wenn das unter den Arm geklemmte Surfbrett in den dazu passenden Farben leuchtet — dann ist klar: Hier wird typisch sexistische Werbung für ein Wassersportgerät gemacht.

Wenn ein Mann tief im Badeschaum verschwindet, wenn eine junge Frau, züchtig bekleidet, einen Schwamm über seinem Kopf ausdrückt und beide in das fröhlichste Lachen ausbrechen — auch dann wissen wir sofort Bescheid: Das Familienministerium hat uns etwas zu sagen.

Irrtum! Das erste Beispiel illustriert, doppelseitig und hochglänzend, einen redaktionellen Beitrag über Windsurfen in einem Wochenmagazin. Das zweite Beispiel ist eine ganzseitige Produktwerbung für Heißwassergeräte. Verzichtet die Werbebranche inzwischen auf diskriminierende Darstellung von Frauen, während Machos in den Redaktionsstuben weiterhin ihre Texte mit Busen und Ärschen würzen?

Nackte oder halbnackte Frauen tauchen bei ganz- und halbseitigen Anzeigen in nur weniger als einem Prozent der Fälle auf. Das ist die Bilanz des Deutschen Werberates, der selbstgewählten Kontrollinstanz von werbungtreibender und werbungdurchführender Wirtschaft. „Diese Zeiten sind vorbei“, meint Volker Nickel sogar vollmundig. Als Sprecher des Werberates mag er auch nicht von „sexistischer Werbung“ reden. „Frauendiskriminierend- oder herabwürdigend“ trifft seiner Meinung nach das Problem besser. Und das Problem ist, daß 1990 noch immer 40 Prozent der Beschwerden, die beim Werberat eingingen, die Darstellung der Frau betrafen. Doch wie Frauen zur Produktwerbung eingesetzt werden, hat sich in den letzten Jahren tatsächlich verändert.

Die Likörfirma, die ihr Gesöff „Scharfer Hüpfer“ taufte und auch entsprechend illustrierte ist eher die Ausnahme — und wurde vom Werberat auch öffentlich gerügt. Wegen solcher „Entgleisungen“ dürfe man aber nicht die gesamte Werbewirtschaft zu Sündenböcken machen: „Schließlich“, fällt Nickel dazu ein, „sind auch nicht alle Autofahrer Rowdys, nur weil einige sich nicht an die Regeln halten.“

Aber die Regel in der Werbebranche ist — was Frauenbilder angeht — oft nicht weniger geschmacklos als der „Hüpfer“, nur inzwischen fast immer subtiler: Eine Frau, lange Beine, kurzes Kleid, liegt hingegossen in einem Polstermöbel. „Weiche runde Formen...herausfordernde Formgebung...eigensinniges Linienspiel...umgeben den Genießer“, wird im Text für das Design geworben. Das Spiel mit den Phantasien der Konsumenten ist eröffnet.

Oder: Eine junge Frau muß ihren Gatten unter die Erde bringen. Der Bestattungsunternehmer, der für seine Dienste wirbt, ist nicht nur fürchterlich verständnisvoll, sondern auch sehr männlich. Und die Trauernde, mit ihren kokett entblößten Schultern, hat das offenbar auch gemerkt. Beides sind keine Fälle für den Werberat. Und die Hunderte von Beispielen, wo Frauen nur die Folie sind, auf denen ein Produkt attraktiv zur Geltung gebracht werden soll, erst recht nicht. Bei der Kontrollinstanz freut man sich schon darüber, daß die Beschwerden über frauenverunglimpfende Werbung leicht zurückgegangen sind. Immerhin befaßten sich in den letzten Jahren 50 Prozent der Eingaben mit der Frauendarstellung. „Die Anzahl der überspitzten, emotionsgeladenen Beschwerdefälle ist zurückgegangen — damit wird eine sachgerechte Auseinandersetzung beim Thema ,Frauenbild in der Werbung‘ erleichtert.“ Das verkündete Jürgen Schrader, Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Werbewirtschaft, die den Werberat 1972 gegründet hat. Und bei dieser „sachgerechten Auseinandersetzung“ wehrt sich Nickel gegen jeden „überhöhten Anspruch“ an die Werbewirtschaft. Schließlich sei die „nur ein Spiegel der Gesellschaft“.

Insgesamt untersuchten die Oberaufseher der Werbung im letzten Jahr 129 Fälle. Von den Beschwerden zum Frauenbild fand der Rat 27 unbegründet, 24 Mal wurde die Werbung eingestellt, in drei Fällen wurde sie verändert. Von sich aus wird dieses Gremium nur im äußersten Fall aktiv — im letzten Jahr genau ein Mal, was das Frauenproblem angeht. Trotzdem halten Nickel und Schrader die Selbstkontrolle der Werbewirtschaft — auch wenn sie praktisch nur auf Beschwerden von außen reagiert — für das effektivste Mittel, gegen schwarze Schafe in den eigenen Reihen vorzugehen. „Auf moralischer Ebene gehen wir oft weit über das hinaus, was der Gesetzgeber vorschreiben könnte“, verteidigt Nickel seine Arbeit.

Das ist auch nötig. Denn es gibt, vor allem seit der 1989 verabschiedeten EG-Rundfunkrichtlinie, immer stärkere Bemühungen, Werbung in den Ländern gesetzlich zu regeln. Der Werberat sieht darin nicht etwa eine Unterstützung seiner Arbeit, sondern einen „Vorgang, der die Werbedisziplin aushöhlt, teilweise sogar beseitigen würde“. Wenn erst Gesetze existierten, würden diese den Rahmen abstecken. Sollte der Werberat Forderungen stellen, die darüber hinausgingen, würden diese von niemandem mehr akzeptiert.

Doch in der Realität scheinen weder Werberat noch Gesetze die Branche großartig zu beeinflußen. Wenn Frauen in der Produktwerbung eingesetzt werden, muß der Sexismus schon unübersehbar sein, bevor sich der Rat überhaupt zur Rüge entschließt. Und selbst dann zieht der Gesetzgeber noch nicht mit: Die Kober Likör GmbH zum Beispiel darf laut Gerichtsurteil ihren Likör weiterhin als „Scharfer Hüpfer“ anpreisen.